Sari Csárda
Unter csárda versteht man in Ungarn generell ein Restaurant oder Landgasthaus mit folkloristischer Atmosphäre. Ursprünglich handelte es sich bei ihnen um schlichte, meist außerhalb von Ortschaften gelegene Bauernschenken, die vor allem Reisenden als Raststation dienten. Heute können derartige Csárda-Betriebe recht vielschichtig sein: von einfachen Kneipen bis hin zu Restaurants mit gehobener (aber immer regionaltypischer) Küche. Die Sari-Csarda, ganz im Nord-Westen Ungarns gelegen, ist ein gehobenes Landgasthaus für ein urbanes Publikum, das sich nach ländlicher Romantik und authentischer Küche sehnt. Das wunderschöne Ried gedeckte Anwesen gehört zum Komplex des Diamant-Hotels und liegt malerisch am Wasserlauf der sogenannten "Schüttinsel". Auf all zu übertriebenem folkloristischen Kitsch wird verzichtet, dennoch wähnt man sich zu jeder Zeit in Ungarn. Und was den Genießer besonders freut, ist hier die Speisekarte, welche neben den unverzichtbaren "Klassikern" der Westungarischen Küche auch Raritäten wie "Kutteleintopf mit Hirn"; "Entenmagen-Gulasch" oder ganz einfach nur köstliche Markknochen mit Knoblauch und geröstetem Brot parat hält. Zu den Spezialitäten des Hauses gehören - wie könnte es in der Region auch anders sein - der im Ganzen gebratene Fogas, die Ofenstelze mit verschiedenen Zwiebel-Zubereitungen und last but not least die omnipräsenten Somloer Nockerln.
Die Szigetköz, zu deutsch "Schüttinsel", hat - genauso wie Dunakiliti - eine lange Geschichte. Früher trieben hier die Knechte jeden Frühling die Kühe der Bauern auf die Donau-Inseln hinaus, wo sie - von einer Insel auf die Andere ziehend - bis in den späten Herbst auf den saftigen Weiden grasen konnten. Das Hirtenvolk führte ein eigenbrötlerisches Leben auf den Inseln und errichtete sich zumSchutz vor Naturgewalten einfache Lehmhütten, während die Bauern und vor allem deren Familien (Frauen, Kinder) auf den höher gelegenen Inseln ihre Höfe betrieben. Wenn ein Hirte die Tochter eines Bauern heiratete (dies kam öfters vor), dann bauten sie sich auf einer der Inseln ein Haus, daraus entstanden später bauernhofartige Siedlungen, aus denen nach der Donau-Flussregelung die hiesigen Dörfer und Gemeinden heranwuchsen.
Seit je her bestimmt hier die Donau das Leben der Menschen. Viele der angestammten - heute leider ausgestorbenen - Berufe hingen mit ihr zusammen, allen voran natürlich der Fischfang, welcher auch heute noch betrieben wird (so bezieht auch die Sari Csárda ihre Fische ausschließlich aus den sie umgebenden Gewässern). Das Hirtenleben wird - abgesehen von einigen Schafs- und Ziegenhirten - nicht mehr geführt, auch die für die Region typischen Handwerksberufe wie Müller, Leinenmacher Muldenhauer (formt Schüsseln und schnitzt Holzgefäße) sind längst verschwunden. Immerhin gibt es noch, wenngleich nur mehr als folkloristisches Element, die Taschen und Fußmatten aus Mais-Schäler. Selbst der Schilf, welcher einst zum Hausbau, für Möbel, Kähne, Boote und Handwerkszeug hergenommen wurde, dient nur mehr Tieren als Brutstätte und Romantikern für ihre Fantasien vom idyllischen Landleben. Selbst die Goldwäscher, einer der traditionellsten Berufe der Region, sind verstorben - der letzte von ihnen 1944, in dem Jahr, als die sich zurückziehenden deutschen Truppen auch die letzte Wassermühle der Region abfackelten.
Auch der Ort Dunakiliti ist aus dieser Tradition der Hirtendörfer entstanden, seine Geschichte reicht bis in die Zeit der Árpáden zurück, dem ersten Herrschergeschlecht Ungarns. Während die Vorsible "Duna" eindeutig auf den Strom verweist, so gibt es für den Beinamen "Kiliti" gleich mehrere Deutungen: manche meinen, dass der Namen vom sogenannten Kilit abstammt, seines Zeichens Burgsasse aus Bratislava und erster Besitzer der Gemeinde. Andere sin der Ansicht, dass der Adelige Kelud namensgebend war. Doch am wahrscheinlichsten ist die dritte These: Das Dorf wurde lange Zeit Asszonyfalva (Frauendorf) genannt. Im Wissen, dass die Bauern nicht selten bei den Hirten auf den Inseln waren und die Höfe daher nur von den Frauen bewirtschaftet wurden, kaum mehr verwunderlich. Und auch die Tatsache, dass viele der Männer in der ungarischen Armee dienten sorgte dafür, dass die Höfe oft und lange Zeit "männerlos" waren und die Siedlung nur von Frauen und Kindern bewohnt wurden. Und schließlich bedeutet der Name "Kiliti" übersetzt nichts anderes als "Frauendorf".
Zurück zur Sari Csárda, die heute nicht mehr viel von der charakteristischen Einfachheit der Region vermittelt. Besonders bemerkenswert ist, dass die Küche - trotz einer doch erheblichen Anzahl von Gästen, die an lauen Sommerabenden zu bewirten sind - wirklich in ansprechender Qualität produziert. Man versucht sich nicht zu verbiegen und irgendetwas "aufgesetztes" aufzutischen, sondern kocht das, was man sich in dieser Region an Speisen erwartet. Auf der Speisekarte auszumachende, selten gewordene Delikatessen wie Kuttel-Hirn-Eintopf oder ein Pörkölt vom zarten Entenmagen, beglücken schließlich das Genießer-Herz. Wahrlich ein Ort, wo man am Wasser sitzend die Seele baumeln lassen und bei Tisch sitzend herzhaft zubereitete Gaumenfreuden genießen kann - und das ist in Zeiten wie diesen mehr wert als Gold!
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