Schweizerhaus
Gastronomisch gesehen kann Wien etliche sogenannte „Institutionen“ vorweisen, doch kaum eine andere ist derart unumstritten wie das Schweizerhaus, zumindest was Bier betrifft. Seit nunmehr über 80 Jahren ist das „Schweizerhaus“ untrennbar mit der Geschichte des Wiener Praters, ja mehr noch, mit der Geschichte Wiens verbunden und kann darüber hinaus auf eine noch viel längere Vorgeschichte verweisen (siehe Schaukasten). So wie den Heurigen, das Stammbeisl und natürlich das Kaffeehaus darf man das Schweizerhaus mit Fug und Recht als Teil der Wiener Seele bezeichnen.
Wien ist und bleibt zwar die Wein-Hauptstadt der Welt, doch ist man hier – der böhmischen Vergangenheit und Nachbarschaft Ehre zollend – auch einem Krügel Bier nicht abgeneigt; und im Schweizerhaus gibt’s das große Blonde mit der unglaublich perfekt gezapften Haube: eben jenes legendäre Budweiser aus gleichnamiger tschechischer Kleinstadt, das schon den Kaiser begeistert haben soll. Dieses Bier wurde vom Vater des Schweizerhauses „Karl Kolarik sen.“ nach Wien importiert und der gelernte Fleischhauer und Selcher servierte dazu knusprige Kartoffelpuffer, Olmützer Quargl, Erdäpfel-Rohscheiben sowie die mittlerweile legendäre Schweizerhaus-Stelze.
Oftmals wird die Frage gestellt, wie viele Biere oder Stelzen da täglich über den Tresen geschoben werden – aber das bleibt das „Geheimnis“ der Familie Kolarik. Was kein Geheimnis (mehr) ist, ist die Liebe zum gutem Essen und dem Bier: trotz aller Quantität wird hier größter Wert auf Qualität gelegt. Und so ist es wenig verwunderlich, dass man hier dem Bier eine Liebe zu Teil werden lässt, die man sonst nur von vollkommen versonnenen Weinliebhabern her kennt, wenn sie über perfektes Dekantieren philosophieren. Die 50-Liter Fässer kommen direkt aus der böhmischen Brauerei Budweis in den Prater und gelangen dort in einen eigenen Bierkeller, in dem außer Bier nichts anderes lagert. Zwischen 3 und 5 Grad kühl ist es da und kein Fass verlässt nach der Lagerung seinen Platz bis es geleert ist. 14 Tage ruht das edle Bräu nun, damit es sich – bevor es gezapft wird - von der Fahrt erholen kann. Um keine Verwirrung aufkommen zu lassen, wird das Lieferdatum auf jedem Fass vermerkt. Beim Zapfen durchläuft dann ein jedes Krügl mehrere Hähne, bevor es endlich serviert wird. Durch die 3-4 minütige Zapf-Prozedur erhält es seine standhafte Haube und kann sich in aller Pracht vorm Gast präsentieren.
Der weltberühmte Haubenkoch Reinhard Gerer sagte einmal: „...man kann in Wien alle möglichen Schanigarten-Konzepte ausprobieren, doch letztlich landen alle bei einer Stelze und einem kühlen Bier im Schweizerhaus ...“ Das dem so bleibt, dafür sorgt die Qualität und die Kontinuität, welche von den Kolariks hochgeschrieben wird. Sie fühlen sich dabei der Tradition des Hauses und dem Erbe Karl Kolarik sen. verbunden, stehen dabei aber sinnvollen Neuerungen immer offen gegenüber. Hanni und Karl Jan Kolarik über ihr Unternehmen: „Zu uns kommt man, weil man plaudern will, daher gibt es auch keine Musik. Der Mensch, eine gepflegte Bierkultur und das gut böhmische Essen stehen bei uns im Mittelpunkt.“
Und so sind sie im Schweizerhaus alle gleich, egal ob Pop-Star, Politiker, Schauspieler oder (Normal-)Bürger. Gutes Essen und Trinken verbindet eben nicht nur, sondern hält auch „Leib und Seele z’am“!
Follow Contadino