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Kartoffeln, Sauerkraut, Fleisch und vor allem: Bier. So lauten die Eckpfeiler der deutschen Küchen. Doch die einzelnen Regionen haben viel mehr als nur das zu bieten.
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Wohl wahr, es gibt trendigere, ausgefallenere und edlere Küchen als die deutsche. Vor allem gibt es sicherlich solche, die den Ernährungsberater nicht die Haare raufen lassen. Doch diese gewisse Heimat auf dem Teller, dieses liebevolle Erinnern an „Die Oma hat das schon so gekocht“-Gefühl: das sind Qualitäten, mit denen sich die deftig-herzhafte Küche Deutschlands rühmen kann und die jegliche Fragen nach "Trendig? Ausgefallen? Edel?" und vor allem die Frage nach dem Kaloriengehalt schon im Keim ersticken. Weltweit nach den Charakteristika der deutschen Küche gefragt, erhält man vor allem meist vier typische Produkte als (richtige!) Antwort serviert: die Kartoffeln seien ganz klar deutsch, das Sauerkraut sowie, die Fleischlastigkeit müsse man beim Gedanken an die deutsche Küche vermerken und natürlich assoziiere man vor allem eines mit der typisch deutschen Kulinarik: das Bier. Helles, Kölsch, Märzen, Altbier, Weißbier oder Berliner Weiße: die Deutschen schätzen das Bier in all seinen Formen, sogar gespritzt und gemischt mit Limonade darf es im Süden als „Radler“ und im Norden als „Alsterwasser“ auf den Tisch. Allerdings ist auch der Wein in Deutschland wieder im Kommen. Nachdem jahrelang jeder billige Aldi- oder Lidl-Wein per se als qualitativ hochwertiger als die deutschen Weine angesehen wurden, genießen die deutschen Rieden mittlerweile Weltruhm. Charakteristik für den Wein der Deutschen ist dabei seine Leichtigkeit, Spritzigkeit und Fruchtigkeit. Kein Wunder also, dass es vor allem der Riesling ist, der zu absoluter Weltklasse gedeiht.

Der deutsche Fleischkonsum erklärt sich übrigens teilweise aus Deutschlands geografischer Lage: relativ weit nördlich gelegen, musste so vor allem früher in harten Winterzeiten auf die Kalorienzufuhr achten. Doch egal wie man’s erklärt und welche Gründe man findet, Fakt ist und bleibt: diese deutschen Fleischgerichte schmecken einfach fantastisch, und das jeder bestätigen, der einmal vom deutschen Schweinebraten aus der Keule oder dem Rücken kosten oder die fantastischen Hackfleischgerichte (ob Hackbraten, Frikadelle oder Klopse) der deutschen Küche probieren durfte. Nicht zu vergessen sind die Wurstspeisen, denn darin sind die Deutschen Meister: ob Blutwurst, Leberwurst, Leberkäse, Bockwurst, Frankfurter, Knackwurst, Currywurst, Bratwurst… wir könnten diese Aufzählung an dieser Stelle stundenlang weiterführen.

Was aber bietet die deutsche Küche abgesehen von Sauerkraut-, Bier- und Fleisch- und Wurstfanatik? Nun, das bekannte Dilemma: wie in so vielen anderen Ländern, gibt es auch in Deutschland nur einige Eckpfeiler für eine gemeinsame deutsche Küche, dazu sind die regionaltypischen Unterschiede an kulinarischen Köstlichkeiten zu vielfältig und verschieden. Wobei: ob hier von einem Dilemma die Rede ist, ist wohl fraglich, vielmehr handelt es sich hier um einen Segen, denn die Vielfältigkeit der deutschen Küche, die ist gut so!

Südwestdeutschland:

Im Westen Deutschland macht sich die Nähe zu Frankreich und der Schweiz auch kulinarisch bemerkbar. Neben Fleischgerichten wie „Schäufele“ (Schweineschulter), Elsässisch angehauchten Flammkuchen und der berühmten „Schwarzwälder Kirschtorte“ spielen hier vor allem Teigwaren eine große Rolle. Man denke nur an die berühmten Maultaschen (gefüllte Nudelteigtaschen) und Schupfnudeln (länglich gerollte Teigknödel) – da läuft dem Kenner der Küche Südwestdeutschlands ja bloß beim Denken daran bereits das Wasser im Mund zusammen…

Bayern:

Während der Südwesten kulinarisch wie geografisch seine Nähe zu Frankreich und der Schweiz offenlegt, ist die bayerische Küche von der Nachbarschaft zu Österreich geprägt. Die Formel zum Erfolg dabei? Ganz einfach: Wer die deftige Küche mag, wird bayerische Spezialitäten lieben. Germ-, Zwetschgen-, Semmel- und Leberknödel: die Bayern lieben ihre Knödelgerichte. Typisch sind auch der bayerische Schweinsbraten mit Kruste und Krautsalat. Und zuletzt macht Bayern vor allem mit seiner Begeisterung für Helles oder Weißbier und seiner Weißwurst oder seinem Leberkäse mit süßem Senf und Brezeln alle Ehre.

Franken:

Denkt man an Franken, denkt man an die Nürnberger Lebkuchen, an Bratwurst und die Bamberger Zwiebeln. Im Aischgrund, dem Mittelpunkt der Fischzucht der Region, ist der Aischgründer Spiegelkarpfen heimisch. Traditionell wird der Fisch der Länge nach zweigeteilt und ist gebacken oder „blau“ (im Essig- oder Biersud) eine Spezialität für alle Monate mit „r“. Daneben trumpft man in Franken, wenn’s um den süßen Gaumen geht, mit Krapfen mit „Hiffenmark“-Füllung (Hagebuttenmarmelade). Übrigens: die Franken lieben das Bier vielleicht sogar ein Stückchen mehr als alle anderen Deutschen, ist es doch die Region mit der höchsten Brauereidichte der Welt, weshalb sich der Begriff Bierfranken gebildet hat. Daneben ist auch der Wein vor allem in Unterfranken weit verbreitet. Das Weinanbaugebiet ist vor allem für seine Weißweine Silvaner, Bacchus und Riesling sowie den trockenen Rotwein Domina bekannt. Während der Weinlese gilt der Bremser als Spezialität.

Hessen:

Als typisch südhessische Küche gilt, was in Frankfurter Apfelweinkneipen auf die Speisekarte kommt. Dort hat der Genussmensch, als Begleiter zum köstlichen Apfelwein, die durchaus schwere Auswahl zwischen dem in einer Essigmarinade angemachten Handkäse, der mit feingehackten Zwiebeln und Kümmel serviert wird („Handkäs mit Musik“), Frankfurter Grüner Soße mit Pellkartoffeln, Frankfurter Rippchen mit Sauerkraut und Kartoffelpüree oder Frankfurter Rindswurst, die er mit dicken Stück Brot und Senf oder geriebenem Meerrettich essen kann. Auch die Bethmännchen müssen kurz erwähnt werden, ein Frankfurter Gebäck, das zur Adventszeit gegessen wird. Fährt man von Frankfurt aus in den Süden, trifft man besonders im Odenwald auf Kochkäse, einem aus Quark hergestellten Käse. Der Name ist allerdings nicht Programm, ganz im Gegenteil: der Käse wird nicht gekocht, ist mild im Geschmack, zerläuft leicht und wird am liebsten zu Schnitzel oder Brot gegessen.

Rheinland:

Mit seiner Nähe zu Belgien und den Niederlanden ist die Rheinische Küche auf der einen Seite von seiner Küstenlandschaft, andererseits von den Besonderheiten des Rheinlandes beeinflusst. Aus der holländischen Küche zum Beispiel wurde die Vorliebe für Heringe übernommen, geräuchert oder eingelegt, besonders der Matjes-Hering erfreut sich großer Beliebtheit, ebenso der Heringsstipp, ein in Sahne eingelegter Hering.Was die Spezialitäten des Rheinlandes per se ausmacht, trumpft Köln mit seiner Liebe für Pferdefleisch (dem traditionellen Hauptbestandteil des Rheinischen Sauerbratens) und deftigen Begleiter zum Kölsch wie etwa dem halven Hahn (Roggenbrötchen mit mittelaltem Gouda) und Kölschen Kaviar (Blutwurst mit Zwiebeln) auf. Als weitere Assen im Regionsärmel gelten die Miesmuschelgerichte, Bergische Waffeln, Schnippelbohnensuppe, Pfannkuchen und Reibekuchen.

Nordwestdeutschland:

Der Nordwesten Deutschlands mit Hamburg als Aushängeschild wird geprägt durch die Nähe zum Meer und die Marsch- und Geestlandschaften. Traditionell verzehrten vor allem die Einwohner der küstennahen Städte größere Mengen von Speisefisch, wie Scholle, Hering und Kabeljau, dazu Meeresfrüchte, wie Krabben. Ein wenig weiter landeinwärts basiert die Küche im Wesentlichen auf den landwirtschaftlichen Produkten vor Ort, wozu gelegentlich Süßwasserfische wie Hecht und Aal kommen. Dazu gibt’s Kartoffeln, Kohl, Roggenbrot, Buchweizengerichte und Steckrüben. Typisch für die Region sind des Weiteren Eintöpfe, in denen oft salzig-deftige Zutaten mit dem fruchtig-süßen Aroma von Obst und Backobst verbunden werden. Traditionelles Dessert ist die Rote Grütze, die mit Milch oder einer leicht angeschlagenen Sahne serviert wird. Aus dieser Region stammt auch der Pharisäer, ein Getränk aus Kaffee und Rum.

Nordostdeutschland:

Die Küche im Nordosten Deutschlands, die Mecklenburgische Küche, Pommersche Küche, Brandenburger Küche und Berliner Küche ist deftig und von den Nachbarküchen wie der schlesischen und der Küche Ostpreußens beeinflusst. Typisch für die Berliner Küche sind beispielsweise Kasseler, Bockwurst, Bulette und Currywurst. Auch Gerichte aus Ost- und Südosteuropa wie Soljanka oder Letscho sind hier seit DDR-Zeiten sehr populär. Hinzu kommen aber auch die traditionellen Fischgerichte, die besonders an der Ostsee (Dorsch), an den mecklenburgischen und brandenburgischen Binnenseen oder im Spreewald (Hecht, Zander und Forelle) verbreitet sind. Speziell Brandenburg ist berühmt für Torten und Kuchen (beispielsweise Plinse, Eierkuchen, Windbeutel und Klemmkuchen).

Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen:

Sachsen-Anhalt ist die Heimat der Halberstädter Würstchen und verschiedener Konditoreiwaren wie dem Salzwedler Baumkuchen. Während die Gebiete im Norden des Bundeslandes mit Spargel- und Kohlgerichten ähnliche Regionalküchen wie das benachbarte Niedersachsen und Brandenburg besitzen, findet im Süden länderübergreifender Weinbau statt. Die nördliche Lage erlaubt die Produktion säurebetonter, spritziger Sorten wie etwa Weißburgunder. Der Harz ist ferner bekannt für seinen Wildreichtum und den Harzer Käse. In Thüringen und Sachsen sind vor allem Klöße, Knödel, Kartoffeln und die Thüringer Rostbratwurst bekannt. Über die Landesgrenzen hinaus bekannt sind das Leipziger Allerlei und der Dresdner Stollen, ein Weihnachtsgebäck aus Dresden. Die kulturelle Nähe zu Österreich (über die böhmische Grenze) zeigt sich in einer ausgeprägten Liebe zu Kaffeespezialitäten, feinem Gebäck und der Kaffeehaustradition im Allgemeinen.

Schlesisches Himmelreich:

Im heutigen Deutschland ist im niederschlesischen Raum des Landkreises Görlitz nach Sachsen hinein die schlesische Küche noch originär vertreten. Ein typisches Gericht ist dabei das Schlesische Himmelreich, ein Fleischgericht mit Backobst. Und wer’s lieber süß mag, der sollte unbedingt den Schlesischen Mohnkuchen oder Schlesischen Streuselkuchen kosten – es lohnt sich, versprochen!

Wer dachte, dass sich mit dieser Beschreibung der kulinarischen regionalen Vielfältigkeit Deutschlands dieser Artikel erledigt hat, der liegt falsch. Zu guter Letzt muss nämlich noch ein Fakt erwähnt werden, denn Deutschland kann auch fernab von hervorragendem urigem, traditionsreichem Essen à la Oma mit seiner großen Dichte an Sterne- und Haubenrestaurants die Gourmetherzen erfreuen. Niemand geringerer als der französische Michelin-Führer war es nämlich, der in folgendem Satz Deutschlands kulinarische Spitzenposition auf den Punkt brachte und welchem wir hier auch die letzten Worte zu Deutschlands hervorragender Küche überlassen wollen: "Die Deutschen kochen mittlerweile so, wie sie Autos bauen - perfekt!"

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