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​Camembert, Calvados und Cidre: Die drei großen C bei den kulinarischen Genüssen à la normande
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Leben wie Gott in Frankreich – das kann man in der Normandie „très bien“. Der Mont-Saint-Michel, die Kathedrale von Rouen, der Wanderteppich von Bayeux und das Dorf Giverny (ehemaliger Wohnort von Claude Monet): Die Normandie ist mit ihren Geizen wahrlich nicht geizig. Das Gebiet gliedert sich in das untere Seinegebiet (die heutige Region Haute-Normandie) nördlich von Paris, das Land in Richtung Westen (Region Basse-Normandie) mit der Halbinsel Cotentin.

Leben wie Gott in Frankreich – das trifft aber nicht nur auf die Kultur- und Naturlandschaft der Normandie zu. Vor allem ist dieser Ausdruck kulinarisch bezogen zu verstehen, ist die Normandie doch wahrlich ein Genussparadies der besonderen Art.

Das normannische Küchencredo ist einfach auf den Punkt zu bringen: In der Normandie isst man gerne, viel und gut. Praktischerweise findet sich in der Region nahezu alles, was man dazu braucht. Als Warnung sei allerdings vorangestellt: die bereits erwähnte Attributzuschreibung „viel“ ist durchaus ernst zu nehmen: die regional-typische Küche in den verschiedenen Regionen in der Normandie ist in ihrer originalen Form eine Hommage an die Reichhaltigkeit - also nicht unbedingt für jeden Tag zu empfehlen, außer für jene Zeitgenossen, die keine Probleme mit prompter Gewichtszunahme haben.

Crème fraîche und Camembert: Milchprodukte vom Feinsten

Die kulinarische Basis der Region bilden Milchprodukte: Von der Sahne über die Butter bis zu den verschiedenen Käsesorten ist die Normandie ein Schlemmerparadies. Das hat einen einfachen Grund: Die Normandie ist ein fruchtbares Ackerland, in dem Gras und Kräuter auf den Weiden schneller zu wachsen scheinen, als die Kühe sie abgrasen können. Die normannischen Milchprodukte dürften somit zu den fettesten der Welt gehören und sind zudem von einer Qualität, die kaum zu schlagen ist. Die Crème fraîche, unverzichtbarer Bestandteil der feinen Küche, sei es in Saucen oder Suppen, ist ein originäres Produkt der Normandie, wobei die beste Crème in Isigny hergestellt wird. Nicht zu vergessen die glorreiche goldbraune Butter der Normandie – und das wohl am preisgünstigsten zu kombinierende Produkt: Schlicht mit Baguette genossen, ist die Butter der Normandie schon schlichte Perfektion!

Aber Sahne und Butter einmal beiseitegeschoben und Platz für die vier Stars der normannischen Milchproduktion geschaffen: Vier der berühmtesten Käsesorten Frankreichs werden hier nämlich hergestellt und zwar in einer derart weichen Konsistenz, mit einem derart würzig-kräftigem Geschmack, dass das Genießerherz vor Freude aufjuchzt: Der Pont l'Évêque, der nur vor Ort in der Normandie gelingt, da er ganz frische und sehr fetthaltige Milch benötigt, der Livarot, der für empfindliche Nasen recht streng riecht und schmeckt und dem berühmten Roquefort gleicht, der sanft-würzige Neufchâtel-en-Bray, der nicht älter als drei Monate werden darf, und natürlich der Camembert, der Star der normannischen Käseküche, der einer ganz aufwendigen Herstellungsprozedur bedarf, dafür aber nur so genannt werden darf, wenn er aus der Rohmilch der Normandie hergestellt wird und somit eines der Markenzeichen der Normandie schlechthin darstellt.

Feinschmeckertipp: Der Käse darf vor allem nicht aus dem Kühlschrank kommen, muss mindestens zwei Stunden aufwärmen. Im besten Fall ist er ganz und gar durchgereift, ohne jene krümelige weiße Schicht in der Mitte, aber auch ohne eine sich bräunende Rinde. Ausprobieren und stillschweigend genießen!

Die Normandie - Ein Fischland

Die Normandie kann kulinarisch allerdings auch sehr viel leichter, ohne dabei an Geschmack einzubüßen - dank kräftiger Grundaromen wie Cidre oder Calvados. Auch gerne als Getränke verkostet, verleihen sie den Geflügelgerichten der Normandie den letzten Schliff: Das Pigeonneau au Cidre, Täubchen mit Cidre, ist zu empfehlen, das in Butter gebraten und mit Thymian, Lorbeer, Salz und Pfeffer gewürzt und zum Schluss mit Calvados flambiert wird. Der Saucenfond wird mit Cidre und Butter verfeinert. Köstlich dazu sind gedünstete Apfelschnitze. Ein Gedicht!

Doch auch mit der reichen Palette an Fischen und Meeresfrüchten trumpft die Normandie leichtfüßig auf. So ist der herbstliche Beginn der Fangsaison von Jakobsmuscheln vor der normannischen Küste für viele ein ähnlich herbeigesehntes Ereignis wie andernorts die Ankunft des Beaujolais primeur. Und mit ihren Zuchtanlagen an den Küsten des Cotentin und des Calvados nimmt die Region inzwischen sogar den ersten Platz unter den französischen Austernproduzenten ein. Empfehlung gefällig? Eines der leckersten Gerichte ist eindeutig Blanquette de Saint-Jacques (=Jakobsmuscheln): Das gereinigte Muschelfleisch wird in Butter gebraten, dann mit (natürlich!) Calvados flambiert. Anschließend wird eine feingehackte Zwiebel hinzugefügt, alles leicht gedünstet, mit Mehl eingedickt und mit einem Viertel Liter Weißwein verdünnt. Schließlich wird alles mit Knoblauch, Salz und Pfeffer gewürzt, frische Champignons eingerührt, bis sie butterzart sind, und zum Schluss mit Crème fraîche und Eigelb verfeinert. Wer sich an dieser Lesestelle nicht bereits in die Normandie verliebt hat, der ist es hoffentlich nun endlich – und wenn nicht: Hinfahren! Kosten!

Erdverbunden: Das kulinarische Paradies vor der Haustüre

Doch die eigentliche normannische Küche bleibt erdverbunden, so wie sich die Normannen im Allgemeinen eher als Landmenschen denn als Küstenbewohner sehen. Sie trägt auch stets stark lokal geprägte Charakterzüge: Das kulinarische Paradies liegt in der Normandie aber auch beinah vor der Haustür, scheint es. Infolge der enormen Fruchtbarkeit der Region nimmt diese in der Produktion von Gemüse und Salat eine Spitzenstellung ein. Rohkostsalate (crudités) stehen ebenso oft auf der Karte wie etwa - vor allem auf dem Land - Gemüsesuppen.

Das milde Klima erlaubt es, Rinder beinahe ganzjährig auf der Weide zu belassen. Und diese danken mit Fleisch in ungeahnter Qualität. Das Gleiche gilt für die Salzwiesenlämmer, die présalés, die besonders um den Mont-Saint-Michel und im Cotentin anzutreffen sind. Geflügel wird ebenfalls oft frei gehalten, und mancher wird (wieder) entdecken, wie gut ein Huhn schmecken kann (vor allem „à la vallée d'Auge“, also in Kombination mit Cidre und Crème).

Das Land der C-Highlights: Cidre und Calvados, Chocolatiers und Caramel

Vom Camembert war bereits die Rede, was fehlt, sind die anderen zwei Cs der heiligen Normandie-Dreifaltigkeit: Äpfel und Birnen liefern die Basis für die meisten geistigen Getränke, vor allem Cidre und Calvados, die geradezu als Inbegriff der Normandie gelten. Auch wenn der Cidre heute nicht mehr ganz so selbstverständlich zum Alltag der Region gehört wie einst, steht der vergorene Apfelsaft immer noch zumindest als Symbol für normannische Lebensart. Und er bleibt nach wie vor das Ausgangsprodukt für die Destillation des Calvados. Man trinkt Cidre etwa als Aperitif kir normand, d.h. mit einem Schuss Cassislikör, als erfrischenden Durstlöscher pur, aber auch als exquisiten Begleiter zu würzigen und cremigen Käsesorten wie dem Camembert oder dem Livarot oder sogar während des gesamten Menüs: Die Liebe zum Cidre kennt, man merkt es schon, keine Grenzen.

Zum Abschluss eine letzte Köstlichkeit mit C: Eine Offenbarung für Naschkatzen sind die Chocolatiers, Schokoladenläden, die wahre Kunstwerke produzieren. Auch in diesem Fall sind die Milchprodukte dominierend, zumal wenn es um das (Achtung, ein weiteres C!) Caramel geht, eine butterig-sahnige Kreation, deren leckerste Exemplare man ebenfalls in Isigny bekommt. Pralinen und Schokoladentorten, kleine, tiefschwarze Schokoladen-Skulpturen oder Karamellen in den verschiedensten Geschmacksrichtungen mit Mandeln, Pistazien oder Mokka, aber stets schmelzend weich und sahnig - sind eine Verführung, die man wohl nur mit den Zutaten der Normandie zaubern kann.

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