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Georgien

​Sie galt als "Haute Cuisine" der sowjetischen Küche und trumpft mit Vielseitigkeit auf: Die georgische Küche ist eine der abwechslungsreichsten und ältesten der Welt.
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"Nach all diesen Jahren ist Georgien ein Geheimnis geblieben und die, die es kennen, gehen behutsam damit um.", sagt Wolfgang Babeck über das kleine Land am Südrand des Kaukasus. Georgien bietet eine Fülle von Sehenswürdigkeiten, grandiose Landschaften zwischen Gebirge und Meer sowie eine legendär gastfreundliche Bevölkerung. Der Legende nach entstand Georgien wie folgt: Als Gott das Land an die Völker verteilte, verspäteten sich die Georgier. Zuerst zürnte der Herr, denn alles Land war bereits verteilt. Doch die Fröhlichkeit und der Charme der Abgesandten dieses Volkes versöhnten ihn, und er schenkte den Georgiern den Flecken Erde, den er eigentlich sich selbst vorbehalten hatte. Soweit, so die Legende, deren Wahrheitsgehalt man nicht anzuzweifeln vermag, wenn man Georgien kennen- und automatisch dadurch lieben gelernt hat, denn das Eine ohne das Andere ist schier unmöglich.

Die Geschichte Georgiens war und ist eine wechselvolle. Erst mit dem Zerfall der Sowjetunion gewann das Land seine Unabhängigkeit wieder, die es vor vielen Jahrhunderten, erst an Perser und Türken, dann an den russischen Zaren, verloren hatte. Die Unabhängigkeit begann mit Bürgerkrieg und Konflikten, die im August 2008 in einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Georgien und Russland kulminierten. Reisen in die abtrünnigen Landesteile Abchasien und Südossetien sind nach wie vor problematisch.

Viel zu schade um den Glanz Georgiens ist aber die fast ausschließliche Erwähnung des Landes in Kombination mit Krisenzeiten. Und nicht nur viel zu schade, auch völlig ungerechtfertigt, gerade auch was die kulinarische Seite der Region zwischen Gebirge und Meer anbelangt. Die georgische Küche zeichnet eine große Vielfalt aus, die nomadische Traditionen und osmanische, russische, persische, arabische Einflüsse miteinander verbindet. Zentral ist die Bedeutung des Granatapfels und der Walnuss als Saucen zu Fisch (jede Region hat ihre eigenen Sorten) und Fleisch. Bei letzterem Genuss greift man in der georgischen Küche übrigens vor allem zu Köstlichkeiten aus Schwein, Rind oder Hammel. Daneben erfreuen sich aber auch Hirsche, Bergziegen, Hasen, Kaninchen, Wachteln und Fasanen großer kulinarischer Beliebtheit.

Essen als soziales Element

Georgiens Kochkunst kennt eine differenzierte Fest-, Ess- und Tischkultur als soziales Element einer sehr alten Gesellschaft. Georgier setzten sich nicht nur zum Essen und Trinken an den Tisch, sie versammeln sich mit Familie und Freunden, um edlen Wein und köstliche Gerichte zu genießen, außerdem geht es um ein Ritual, das freundschaftliche Beziehungen schafft bzw. festigt und dabei der Vorfahren gedenkt. Bei der georgischen Tafel, der Supra, zentraler Bestandteil der kulturellen Tradition, gelten besondere Tischsitten, die an der Struktur Wein und Brot, Trinkspruch und Gesang orientiert sind. An einer Supra nehmen bis zu 500 Gäste teil. Der Tafel sitzt der Tamada, der Leiter der Supra, vor. Er hat eine verantwortungsvolle und ehrenvolle Aufgabe, denn er sorgt für das Gelingen der Tafel.

Von West nach Ost: Regionale Trümpfe

Das Facettenreichtum der georgischen Küche ergibt sich vor allem aus den unterschiedlichen Formationen des Landes: Die geografische Lage östlich des Schwarzen Meeres und südlich des Großen Kaukasus sorgt für mediterranes Klima im Westen und ewiges Eis im Norden. Während also an der Schwarzmeerküste viel Obst angebaut wird, galt es im Norden stets Einfallsreichtum bei der Zubereitung von Speisen zu zeigen, während der Westen pikante Speisen bevorzugt, greift man im Osten lieber zu milden Gerichten. Dasselbe gilt auch für den Fleisch- und Getreidegenuss: Westgeorgier lieben ihr Schweinefleisch und ihren Mais, Ostgeorgier dagegen kochen traditionellerweise mit Rind- bzw. Hammelfleisch und bauen Weizen an. Weit verbreitet sind aber überall die vor allem in Ostgeorgien als eine Art Nationalgericht verehrten Chinkali (auch: Khinkali), Teigtaschen mit einer Fülle aus Faschiertem. Chinkali sind vom Prinzip her ähnlich aufgebaut wie Maultaschen, Kärntner Kasnudeln, Ravioli oder russische Pelmeni, vom Geschmack her aber einzigartig. Daneben liebt man regionsübergreifend Chatschapuri und Lobiani.

Chatschapuri - das Nationalgericht Georgiens

Chatschapuri (ხაჭაპური, engl. Khachapuri) ist eines der Standardgerichte Georgiens und eine der, wenn nicht gar die, Nationalspeise schlechthin. Es handelt sich dabei um Hefeteig, der ausgerollt und mit Käse belegt anschließend im Backofen gebacken wird. Der Chatschapuri ist reichhaltig und wird in Georgien zu fast jeder Gelegenheit gegessen: Als schneller Snack im Straßenverkauf, als Vorspeise bzw. Ersatz für Brotbeilage im Restaurant oder sogar als eigenständige Mahlzeit, meist zum Frühstück. Er wird gerne frisch und heiß gegessen, schmeckt aber auch kalt - beispielsweise beim Resteessen nach einem Supra - sehr gut. Chatschapuri bedeutet wörtlich übersetzt "Topfenbrot", sinngemäß übersetzt einfach "Käsebrot".

Ein Chatschapuri im Restaurant bestellt hat meist die Größe einer Pizza. Er wird dann von zwei bis vier Personen gemeinsam gegessen, zusätzlich zu anderen Speisen, wie Fleisch oder Salaten. Chatschapuri gibt es in Georgien in mehreren verschiedenen Varianten. Wird Chatschapuri ohne weitere Detailbezeichnung verwendet, bezeichnet das die imeretische Variante, Chatschapuri Imeruli, die beschriebene Pizzaversion.

Lobiani

Ähnlich wie Chatschapuri ist auch Lobiani (ლობიანი) ein wichtiges Nationalgebäck Georgiens. Das Prinzip ist dasselbe wie beim Käsekuchen, es werden aber statt Käse passierte Bohnen verwendet. Der Lobiani stammt ursprünglich aus Ratscha, ist aber im gesamten Land verbreitet und beliebt. Besondere Bedeutung hat Lobiani als veganer Ersatz für Chatschapuri, denn viele Georgier, die die Regeln der georgisch-orthodoxen Kirche streng befolgen, dürfen zur Fastenzeit weder Fleisch, Milch und Ei verzehren, ernähren sich also aus europäischer Sicht an diesen Tagen vegan. Auch Lobiani gibt es in zahlreichen Varianten, in einigen werden Speck oder Schwarte untergemischt, in anderen besteht der Teig aus Blätter- statt Hefeteig.

Man isst, was ein anderer für einen bestellt

Formlose Essen in Georgien sind im Ablauf stark an das oben beschriebene Supra angelehnt. Der Gastgeber bestellt im Lokal für die gesamte Runde und alle Speisen werden in die Mitte des Tisches gestellt – eine Gepflogenheit, die für Besucher oft verwirrend ist, seine eigenen Speisen aus einer Speisekarte auswählen? Nicht in Georgien. Auch zu Hause werden alle Speisen in die Mitte des Tisches gestellt und man bedient sich nach Herzenslust. Ebenso wird für Trinksprüche ein Tamada bestimmt - meist der Gastgeber - und man trinkt nur nach Trinksprüchen, wobei der Ablauf dabei deutlich ungezwungener ist als bei einem großen Supra.

Brotvielfalt

Tonis Puri (თონის პური) ist eine Art Fladenbrot und wir in einem speziellen Steinofen, dem Tone, gebacken, der entweder elektrisch, mit Gas oder mit Holzkohle erwärmt wird. Die linsenförmigen Hefeteigstücke werden einfach an die aufgeheizte Wand geklatscht und nach einigen Minuten mit einem langen Haken wieder entfernt (daher kommt das kleine Loch in der Mitte des fertigen Brotes). Tonis Puri ist eine Spezialität, wenn es frisch und heiß ist. Auch kalt wird es besonders bei Festessen zu jeder Mahlzeit gereicht, aber auch bei ungezwungenen Mahlzeiten und im Familienkreis gegessen. Schotis Puri (შოთის პური) ist dem Tonis Puri ähnlich, nur in der Form länglicher und speziell in Kachetien verbreitet. Auch Georgier können Tonis und Schotis Puri nur anhand der Form unterscheiden. Lawaschi (ლავაში) schließlich als letzte Brotspezialität der Georgier ist ein ganz dünnes Fladenbrot, das als unverzichtbare Ummantelung von Kababi verwendet wird. Auch Lawasch wird in Georgien oft im Tone gebacken, ist jedoch meist nur in Gegenden mit armenischen oder aserischen Bevölkerungsgruppen leicht zu bekommen.

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