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Sizilien

​Siziliens Küche ist wie die Insel selbst: bunt und frech, wild und geheimnisvoll. Oder um es mit der liebsten kulinarischen Geschmackskombination der Sizilianer zu sagen: süß und herzhaft zugleich.
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Siziliens Küche ist anders. Was hier auf den Teller und an die Gaumen der Feinschmecker wandert ist weit mehr und weit eigenwilliger als das italienische Standardrepertoire rund um Pasta und Pizza – und das ist auch mehr als gut so. Diese besondere Note, dieses gewisse Extra verdankt die sizilianische Küche aber nicht sich selbst allein, ist sie doch die Summe der kulinarischen Vorlieben aller fremden Herren und all ihrer Köche, die seit Jahrhunderten in Sizilien heimisch wurden. Als erstes kamen die Griechen, kolonisierten das östliche Mittelmeer und bereicherten die sizilianische Insel kulinarisch gesehen vor allem um das Kultgetränk des Dyonysos, den Wein. Als zweites kamen die Römer, nutzten Sizilien als Kornkammer und bauten Hartweizen an, das Getreide für die Herstellung von Nudeln, dicht gefolgt von den Byzantinern, die es nicht lassen konnten, ihre Vorliebe für Süß-Saures auf der Insel zu säen. Die Araber sorgten dann zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert für eine kleine Küchenrevolution, versüßten die sizilianische Küche mit Zucker, Mandeln und Marzipan, bereicherten sie um Aprikosen, Melonen, Safran, Rosinen und Zimt und beschenkten das schöne Stückchen Paradies obendrein mit jenen Zitrusfrüchten, die sich heutzutage als Symbolpflanzen in Sizilien zu rühmen wissen. Die Normannen und die Staufer wiederum optimierten die sizilianischen Fleischgerichte und die Spanier schließlich ließen Sizilien, großzügig wie sie waren, an ihren Errungenschaften der neuen Welt teilhaben: Kakao, Tomaten, Auberginen und Paprika zogen auf der Insel ein.

Essen und Trinken im Herzen des Mittelmeeres bedeutet also immer auch eine Zeitreise in vergangene Epochen. Die Phantasie der sizilianischen Köche aber ist es, die dabei sicherstellt, dass es sich um eine höchst individuelle Interpretation einer Vielvölkerküche handelt: bunt, schräg, zart, scharf, herzlich, einfach, duftend, liebevoll, exotisch, erotisch, bodenständig, leicht, raffiniert, geheimnisvoll, inspirierend, opulent und immer wieder überraschend! Eben so, wie die Insel selbst.


Zwischen Heute und Einst, süß und herzhaft

Mattanza gefangene Thunfische, Fische aus den drei umgebenden Meeren, Kapern, Zitrusfrüchte, Kaktusfeigen, Farsumagru, Arancini, Cassata, Cannoli, Marzipan-Kunst oder Marsala sind nur einige wenige der vielen Genüsse des heutigen Siziliens, die den Gaumen zum Träumen bringen und die Sehnsucht schüren… Und wenn auch in jeder Kleinregion anders gekocht wird, eint doch alle die Liebe zu Farbe, zu Kreativität und Phantasie, und scheinbar gewagte Kombinationen von süß, salzig, scharf und sauer werden in der Hand von sizilianischen Köchen und Küchenfeen zur harmonischen Einheit. Frisches Weißbrot, vielfach in orientalischer Tradition mit Sesam bestreut, und pasta, die allgegenwärtigen Nudeln, dürfen nie fehlen. Mit einem jährlichen Verbrauch von mehr als 100 kg pro Kopf sind die Sizilianer nämlich Rekordhalter in Italien. Und weil, wie bereits betont, die sizilianische Küche meisterhaft den typischen regionalen Geschmackszauber aus Fisch, scharfen Gewürzen und süßen Komponenten wie Fenchel oder Rosinen zu vollbringen vermag, spielt auch das folgenden sizilianische Pastarezept (so mancher munkelt, es sei DAS Nudelgericht Siziliens per se) mit diesen Zutaten: Pasta con Sarde wird sowohl mit frischen, ausgenommenen als auch mit gesalzenen Sardinen zubereitet. Dazu kommen eingeweichte Rosinen, eine Fenchelknolle, gehackte Zwiebeln, Tomatenpaste, Pinienkerne und natürlich viel Olivenöl. Feinschmecker bestreuen die fertige Pasta mit Brotbröseln anstatt von Käse.

Aber genug von Brot und Nudeln, denn die übrigen Hauptzutaten der traditionellen sizilianischen Küche sind so bunt wie die Marktauslagen und verdienen es wahrlich, in all ihren Farben und ihrer Vielfalt genannt und gelobt zu werden. Was in der Küche Siziliens nie fehlen darf sind Meerestiere aus den Küstenregionen und Lammfleisch, Kaninchen und die grobe sizilianische Bratwurst salsiccia (aus reinem Schweinefleisch mit Fenchelsamen, Pfeffer und etwas Weißwein abgeschmeckt) aus dem Landesinnern, die Gemüse-Mitbringsel aller Herren Küchen und Epochen sowie Oregano, frische Gartenminze und Basilikum. Probieren? – Sollte man vieles. Beispielsweise das magere Fleisch des Schwerfischs aus der Meerenge von Messina und der Nordküste zwischen Cefalù und den Liparischen Inseln, das über Holzkohle gegrillt oder mit süßen Tomanten, Kapern und Kräutern gedünstet mit einer Soße aus Öl, Zitrone, Knoblauch und Oregano serviert, selbst dem ziellosesten Gaumen Heimat ist. Oder eben eine der ungewöhnlicheren sizilianischen Kombinationen wie Caponata, mit Zwiebeln und Pinienkernen gebratene Auberginen, die mit Zucker karamelisiert und mit Essig abgelöscht werden und gelegentlich darüber hinaus noch eine Veredelung durch Schokolade oder Mandeln erfahren. Ja wahrlich die Grenzen der sizilianischen Küche zwischen süß und herzhaft, sauer und lieblich, sind so fließend, wie jene zwischen den verschiedensten Kulturen selbst.


Zucker macht süchtig... Sizilien sowieso.

Für jeden Anlass und jede Jahreszeit gibt es in Sizilien ein eigenes Backwerk oder Konfekt, jeder Ort hat seine Spezialität. In Modica etwa, der cremeweiß leuchtenden, steil am Hang emporsteigenden Barockstadt im Südosten der Insel, sind es ’Mpanatigghi. Für das halbmondförmige Gebäck wird ein einfacher, ungesüßter Mürbteig um eine dunkle, saftige Füllung geschlagen, die außer Schokolade Mandeln, Haselnüsse, Zucker, Zimt, Nelken und Fleisch enthält. Letzteres ist geschmacklich nicht unbedingt als solches erkennbar. Der sizilianische Name geht auf die spanischen Empanadas zurück, und ursprünglich wurde im 16. Jahrhundert statt des heutigen Rindfleischs wohl Wild verarbeitet; vielleicht war es reichlich vorhanden, vielleicht wollte man aber auch an Fastentagen auf diskrete Weise Fleisch konsumieren. Wie dem aber nun auch sei: Wie sagt die moderne Wissenschaft? Zucker mache süchtig? Wenn dem so ist, dann lässt sich dieser Sucht wohl kaum genüsslicher frönen als in Sizilien.

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