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Venetien

Von den Dolomiten bis ans Adriatische Meer erstreckt sich die Heimat des Proseccos. Eine Region mit tausend Gesichtern und tausend Geschmäckern.
Land

Abertausende Rebenreihen zeichnen fantastische, geometrische Muster über leicht geschwungene Kuppe, Zypressen und saftige Kastanienwälder mischen sich ins helle Weinlaubgrün, Olivenhaine treiben sanft im frischen Abendwind, herrlich grüne Hochebenen, tosende Wildbäche, tiefe Schluchten und eindrucksvolle Grotten wechseln sich mit majestätischen Städten wie Padua, Verona und der regionalen Hauptstadt Venedig ab und schließlich trumpft man mit dem Gardasee und seiner Riviera degli Ulivi - so nennt sich das venetische Ostufer mit den Olivenbaumhainen – noch einmal haushoch: Venetien im Nordosten Italiens hat sich mit seinem malerisch-romantischen Charme bei der Verteilung der schönen Landschaftsecken gleich mehrmals angestellt, so viel ist sicher. Riesig ist das Gebiet, erstreckt sich vom Gardasee im Westen über Venedig im Süden, reicht im Osten bis zur Adria und wird im Norden vom alpinen Skigebiet von Cortina d’Ampezzo begrenzt.

„Kultur“ meint hier aber nicht nur wunderschöne Villen und Überreste der Römerzeit, sondern auch leibliche Genüsse: Grappa und Wein, Risotto und Spargel, Meeresfrüchte und Flussfische ... Eine Reise nach Venetien ist wirklich eine Reise in ein kleines Paradies auf Erden. Und wenn auch politisch gesehen die Hauptstadt Venedig zur Region zählt, kann man aus kulinarischer Sicht keineswegs von einem Gleichklang beider Regionen sprechen, durchaus aber letztlich von einem, gerade durch Gegensätze getragenen, Schachtmatt jedes Feinschmeckers: In Venetien liebt man es deftig und rustikal, während man in Venedig – wenn auch seltener, als gern noch von so manchem behauptet – an die kulinarischen Glanzzeiten der Serenissima erinnert. Worin man sich aber einig ist, sind die Stützen der Kulinarik: Prosecco und Risotto, ohne diese zwei Bestandteile geht in Venetien und Venedig nämlich gar nichts. Ansonsten aber liebt man in Venedig Fisch und Meeresfrüchte, während Veneto auf deftige Wurstwaren und Gemüse wie Radicchio aus Treviso und Spargel aus Basano setzt und damit auf voller Länge punktet – viel besser geht’s selbst in Italien kaum!


Kaleidoskop der Küchenstilistiken

Venetien war über viele Jahrhunderte Zentrum des Handels mit Asien und Arabien. Hier wurden Waren, Gewürze und Lebensmittel aus Afrika, Arabien, dem Orient, Indien, China und ganz Asien umgeschlagen, hier trafen sich Kaufleute und Seeleute aus aller Welt. Die Region Venetien und allen voran die Kaufmannsstadt Venedig hatten also immer Zugriff auf exotische Gerichte, Gewürze und Zutaten, die andernorts gar nicht oder nur für sehr viel Geld erhältlich waren. Umso erstaunlicher ist es, dass die Küche Venetiens relativ wenig von den Küchen Arabiens und Fernosts beeinflusst wurde. Viel stärker lässt sich der Einfluss der österreichischen, ungarischen, kroatischen und slowenischen Küche erkennen, die durch die kurzzeitige Herrschaft der Habsburger noch verstärkt wurde.

Die Küche Venetiens wird von den drei Hauptzutaten Reis, Mais und Bohnen dominiert. Polenta und Risotto sind hier weiter verbreitet als Pasta, die man eher im südlichen Italien findet. Auch Butter und Sahne wird hier dem Öl vorgezogen. Pizza findet man in der traditionellen Küche Venetiens ebenfalls meist vergebens. Das hört sich erst einmal ernüchternd an, ist es aber keineswegs, denn mal ehrlich: Wer im Süden schon war, der will im Norden doch etwas Neues, Charakteristisches, etwas ganz Eigensinniges kennenlernen!


Venedig und Venetien

Neben den drei Eckpfeilern Reis-Mais-Bohnen dreht sich in Venedig alles um das eine: Die Stadt der Meerestiere hält ihren Namen haushoch in Ehren: Krebse, Meerspinnen, Tintenfische, Venusmuscheln, Miesmuscheln und Jakobsmuscheln, in Weißwein gegart, überbacken, gegrillt, gratiniert. Fische werden am liebsten in Öl gebacken (fritto misto di mare), oder sie kommen ganz einfach vom Grill - die beste Art, das pure Fischaroma zur Geltung zu bringen. Im Podelta trifft man zudem auf Aal und am Gardasee mit Glück auf Renken und Karpfen. Auch getrockneter Kabeljau, baccalà, ist verbreitet. Er wurde von skandinavischen und norddeutschen Händlern in Venedig gegen Gewürze eingetauscht und fand schnell seinen Stammplatz in der Küche Venetiens.
Venetiens Ebene hingegen bevorzugt es deftig-rustikaler: Innereien, vor allem Leber, Rind, Kalb, Schwein, Kleinvieh und Wildbret sind hier zurecht, weil von köstlichem Geschmack, sehr beliebt. In und um Venedig findet man Fleisch dagegen, abgesehen von Kleinvieh wie Geflügel, Kaninchen oder Hasen, eher selten.


Wenn Gemüseträume wahr werden

Spätestens, wenn die Gemüseträume wahr werden, weiß man: Man ist in Venetien. Der Star aller Gemüsesorten ist eindeutig der rote Radicchio, vor allem der langblättrige aus Treviso (radicchio trevisano), der am liebsten gegrillt oder im Risotto gegessen wird – nicht umsonst und völlig zu Recht rühmt er sich des Beinamens „Nationalgemüse Venetiens“. Der ebenfalls bekannte, rundköpfige aus Chioggia hingegen wird meist als Salat zubereitet. Doch damit nicht genug des Gemüsegenusses: Anbaugebiete für weißen Spargel - in Italien weit weniger verbreitet als der grüne - sind Bassano del Grappa und die Umgebung von Görz. Und Feinschmecker schätzen die milden Bohnen fagioli di Lamon aus dem Raum Belluno.

Wenn man nun aber in völliger Einheit und Harmonie mit der bezaubernden Natur Venetiens sich an den Spezialitäten der Region labt und mit Risotto Negro (Schwarzes Risotto, mit der Tinte von Tintenfischen eingefärbt), Fegato alla veneziana (Leber auf venezianische Art), Sardelle in Saor (Sradellen in Essig-Zwiebel-Sud eingelegt) oder Baccalà alla Vicentina (Kippfisch aus Vicenza) in den siebten, wenn nicht achten Himmel aufsteigt… Was trinkt man dann dazu?


Weinreben, soweit das Auge reicht

Da es in Venetien praktisch kein Gebiet gibt, das nicht seine eigenen Weine hat, bleibt nur die Qual der Wahl: Rund 20% aller italienischen Weine werden hier produziert, Venetien rangiert unter den Top 3 der größten weinproduzierenden Regionen Italiens. Das glaubt man sofort, hört man die weit über die Grenzen hinaus berühmten Namen der exzellenten venetischen Weine. Der Soave, der trockene Weißwein, der rubinrote Valpolicella aus der Umgebung von Verona und der Bardolino, ein Rotwein, so delikat und leicht wie kaum ein anderer im Geschmack, der hier in Gardaseenähe seine Heimat hat: Venetiens Weine sind wahrlich weltberühmt. Der Weinliebhaber und Kenner der Köstlichkeiten Venetiens wird schon zum Aufschreien ansetzen, aber ruhig Blut, das Beste kommt bekanntlich ganz bewusst zum Schluss: Im Norden Trevisos zwischen den Voralpen und der flachen Ebene Venetien erstreckt sich das hügelige Weinbaugebiet der Prosecco Region. Von hier stammt es, DAS Aushängeschild Venetiens, der berühmte Prosecco Perlwein, der ausschließlich in den Weinbaugebieten der Region angebaut werden darf.

Venedig, die Arena von Verona, der Gardasee und seine Riviera degli Ulivi - so nennt sich das venetische Ostufer mit den Olivenbaumhainen -, die Villen im Veneto und die Skipisten in den herrlichen Kalkalpen der Dolomiten, Rebhänge, von denen köstliche Weine kommen: Venetien ist ein Paradies für sich, vielleicht nicht ganz das klassische Italien mit Pasta und Pizza, dafür aber umso prickelnder und frischer im Geschmack, nicht zuletzt mit den hervorragenden Weinen und dem Trumpf per se, dem Prosecco.

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