Niederlande
Das Land der Tulpen und der Windmühlen, das Land des malerisch-historischen Amsterdam, des modernen Rotterdams und internationalen Den Haags: so bekannt die Städte und Landschaft der Niederlande, so weitgehend unbekannt die Kulinarik des schönen Stückchen Erdes. Die Küche der Niederlande genießt traditionell einen, wem schon nicht unbekannt, dann zweifelhaften Ruf: in etwa so, wie jener des italienischen Ordnungssinns oder des deutschen Humors. Käse, Kohl und Kartoffeln bilden von jeher ihre Grundpfeiler, als Höhepunkte der Verfeinerung gelten Fritten mit Erdnusssauce und Toastbrot mit Zuckerstreuseln. Dabei gibt es Spezialitäten der niederländischen Küche, von denen Genussmenschen nach dem ersten Verkosten noch tagelang träumen: beispielsweise der köstliche Gouda oder Edamer, die süßen Desserts wie die Poffertjes-Pfannkuchen, die holländischen Miesmuscheln oder das Texeler Lammfleisch.
Die Niederländer, ja ursprünglich ein Volk aus Seefahrern, sind Pioniere, Eroberer, Neuerer: da hat man große Teile des Landes dem Meer abgetrotzt, per Schiff und Wohnwagen die Welt(en) erobert und viel früher als andere Homo-Ehe, Marihuana und Sterbehilfe legalisiert. Auch kulinarisch haben die Holländer das Neuland nie gescheut und weltweit auf ihren Entdeckungsfahrten vielfältigste Elemente der noch vielfältigeren Küchenstile mitgebracht: asiatische, italienische, französische oder vor allem indonesische Einschläge - die holländische Küche hält allerlei bereit und ist sogar in ihren Rezepten selbst wagemutig, frech und erfinderisch: das weiß ein jeder, der einmal in die Wurst-Frikadellen-Kreuzung "Frikandel" gebissen hat oder sein Frühstücksbrot mit als "Hagelslag" bekannten Schokoflocken genoss.
Eines vorweg noch, damit keine Verwirrung auftritt: der ein oder andere möchte an dieser Stelle gleich etwas zur Sauce Hollandaise hören, dem Saucentraum aus schaumig geschlagenem Pfeffer, Salz, Weißwein und Eigelb, verfeinert mit warmer Butter und etwas Zitronensaft - die Sauce schlechthin, möchte man meinen, sagt ja schon der Name. Allerdings ist der naheliegendste und offenbar logischste Gedanke wie so oft falsch: Die Sauce Hollandaise stammt nicht, wie der Name vermuten lässt, aus Holland, sondern aus der französischen Küche. Hollandaise als Hommage and Holland soll lediglich eine Anspielung auf die hohe Qualität holländischer Milchprodukte sein - Dazu aber später mehr. Festgehalten werden muss an dieser Stelle aber, dass das untrennbare Gegenstück zur Sauce Hollandaise, der Spargel, in Niederlande sehr wohl eine außergewöhnliche Zuneigung erfährt. Und alle Spargelfans wissen: Niederlande und Spargel, da denkt man an Limburg. Denn in dieser zauberhaften hügeligen Landschaft kann man jedes Jahr beobachten, wie geerntet wird, und das ‚weiße Gold‘ anschließend in herrlichen Gerichten genießen. Und wenn man schon in Limburg ist: Unbedingt den Spargelmarkt in Arcen besuchen, es lohnt sich!
Einfach und deftig: von herzhaften Eintöpfen und köstlichem Käse
Freilich gibt es auch Bodenständigeres in der niederländischen Küche, eilt ihr doch der Ruf einer einfachen, deftigen Küche voraus. Kein Wunder, unter calvinistischem Einfluss wurde der Niederländer genügsam und sparsam erzogen, simpel und sättigend lauteten die Formeln zum kulinarischen Erfolg: was hier auf den Tischkam, waren vor allem Sampftöpfe, beispielsweise der "Stamppot" (zerstampfte Kartoffeln und Gemüse, die mit einer herzhaften Soße, Räucherwurst, Zwiebeln und Sauerkraut serviert werden), deftige Suppen wie die Erbsensuppe mit Speck- und Wurstwürfeln oder die beliebten Bitterballen (mit einem Ragout aus Rind- und Kalbsfleischmasse gefüllte und frittierte Fleischkroketten).
Ebenfalls deftig und simpel ist vielleicht der Trumpf der niedeländischen Küche: ihre Käsevielfalt oder anders gesagt: ihr gelbes Gold. Vom Gouda in unterschiedlichsten Reifegeraden bis hin zu Edamer und Maasdamer: für ausgezeichnete Milchprodukte ist die holländische Küche berühmt, für ihre Käseköstlichkeiten sogar legendär. Schon seit der Urgeschichte wird in den Niederlanden Käse hergestellt, bereits im 17. Jahrhundert eilte den Niederlanden bereits der Ruf als Käseland voraus und heutzutage gehören sie zu einem der größten Käseproduzenten Europas. Genauso bekannt sind die Niederlande natürlich für ihren fangfrischen Fisch, von dem das romantische Land - wie sollt's bei der Lage auch anders sein - reichlich hat. Das Lieblingskind der fischverehrenden Köche? Der Hering. Gekocht, gebraten, im Auflauf oder mit verschiedenen Saucen, seine Zubereitungsmöglichkeiten kennen keine Grenzen. Deshalb behaupten die Holländer auch die besten Matjes der Welt herzustellen. Must-eat: Die ersten und sehr zarten Heringe (hollandes nieuwe), man erhält sie überall im Straßenverkauf zum Sofortverzehr.
Ein Hauch Malaysien und Indonesien meets Snackbar und Fastfood-Himmel
Es war im 20. Jahrhundert, es war die Kolonialzeit und für die niederländische Küche, für die war es mehr als gut: zahlreiche Gewürze und Rezepte all ihrer ehemaligen Kolonien brachten die holländischen Seefahrer mit nach Hause, weitreichendst war dabei der Einfluss der indonesisch-asiatischen Küche: zahlreiche holländische Rezepte erfuhren kreative asiatisch-angehauchte Abwandlungen, wie z.B. beim Reisgericht Sub Gum oder beim Fast-Food-Imbiss ums Eck: Patat oorlog sind Pommes mit Mayo, Zwiebeln und Erdnusssauce.
Apropos Fast-Food-Imbiss ums Eck: davon haben die Niederländer allerhand. In den letzten Jahrzehnten hat die Zahl der Imbissbuden (nl. Snackbar) stark zugenommen. In Fastfoodrestaurants erhält man Pommes frites (patat, auch friet oder frietjes) mit Mayonnaise, Ketchup (auch gemischt mit Zwiebeln = speciaal/spezial) oder, wie bereits erwähnt, asiatisch-inspiriert mit Erdnusssauce (pindasaus/satésaus) oder in der Variante Kapsalon. Neben den Pommes Frites werden in den „Snackbars“ auch frittierte Fleisch- und Käsegerichte angeboten. Typische Snacks sind Frikandel, Kroket (mit Rindfleisch-, Kalbfleisch-, Gemüse-, Gulasch- oder Hähnchenfüllung), Bami- oder Nasischijf bzw. Bami- oder Nasibal (mit Panade umhüllte und frittierte Scheibe bzw. Kugel aus Bami Goreng oder Nasi Goreng), Kaassoufflé, Kipkorn, Bitterballen, Gehaktbal und in den Küstenorten Kibbeling, frittierte Scholle oder „Lekkerbekje“ (Pangasius oder auch Wittling frittiert) und diverse andere Fischgerichte.
Wacholderbranntwein und Vla-Pudding: für Schnapslieber und Naschkatzen
Wenn es ums Trinken geht, schätzen es die Niederländer hochprozent: Das Nationalgetränk der Niederländer ist der Genever, ein Wacholderbranntwein mit starkem Kornaroma. Er wärmt von innen und hilft nach einer der üppigen Mahlzeiten beim Verdauen. Ansonsten trinkt man Bier und das ist auch gut so: die Niederlande brauen nämlich gutes Bier und verfügen über eine traditionsreiche Bierbraukultur. Am häufigsten findet man helle Pilssorten, aber auch dunklere Klosterbiere sind beliebt. Wer will, kann seinen Genever auch mit einem Bier kombinieren, was nicht ganz ohne Grund als Kopfstoß bezeichnet wird.
Und weil das Dessert bekanntlich zum Schluss kommt, tut es die Auflistung der köstlichen niederländischen Nachspeisen hier auch. Ein Fakt zum Festhalten: Der Niederländer eine echte Naschkatze. Von Poffertjes (Pfannkuchen-artige Süßspeise) und Stroopwafels über Speculaas oder Taai-taai(Gebäck) am Nikolausabend, bis hin zu Oliebollen (Krapfen, an Silvester verzehrt), Kandeel (süßes Getränk auf Weinbasis mit Ei und Nelken) und Suikerbrot (Zuckerbrot, vor allem die Variante aus dem Friesland mit bis zu 40% Zuckeranteil ist einzigartig!): hier liebt man es süß, süß, süß. Sehr beliebt sind auch der pudding-ähnliche Vla oder die Schokostreusel (Hagelslag): Unbedingt probieren!
Drei kulinarische Reisetipps
1. Dass man Rotterdam als der kulinarischen Hauptstadt der Niederlanden einen Besuch abstatten muss, ist klar. Abwechslungsreich, international und hervorragend - von französischen Klassikern bis exotischen Gerichten und natürlich niederländischen Spezialitäten findet hier jedes Genießerherz ein neues Zuhause. Vor allem Improvisation gehört unter Rotterdams jungen Köchen mit dazu: Da ist man mit einem Schritt schon fest in der Zukunft angelangt, man denke nur an Molekularküche des weltberühmten „Ivy“ von Küchenchef Francois Geurds. Ebenfalls einen Abstecher wert: Das Ladenlokal von Schmidt Zeevis, einer Fischhandlung in der Straße „Vasteland“, die täglich 130 frische Fischsorten in den Vitrinen präsentiert.
Doch auch neben der großen kulinarischen Konstante Rotterdam, gibt es allerlei Regionen mit köstlichen Spezialitäten, zwei davon seien wärmstens empfohlen:
2. Für alle Fleischfans folgender holländischer Reisetipp: Die Insel Texel muss, alleine schon kulinarischer Gründe wegen, unbedingt besucht werden: hier erwartet den Feinschmecker ein unvergleichlicher Leckerbissen - das Texeler Lammfleisch. Die salzige Meerluft sorgt für den unverwechselbaren Geschmack des Fleisches. Zudem wachsen dort Cranberries, mit denen sich unübertroffene Soßen zu Wildgerichten zaubern lassen.
3. Und allen Meeresfrüchteliebhabern sei dieses Region wie ein kleiner Juwel ans Herz gelegt: Die holländischen Miesmuscheln gelten zu Recht als „schwarzes Gold“. Sie sind ein natürliches Produkt, nahrhaft und vor allem eins: lecker! Vor der Küste der Provinz Zeeland wird das kulinarische Juwel schon seit rund 150 Jahren vom Spätsommer bis in den April gefangen und der Geschmack der frischen, salzigen Köstlichkeit kommt auch nirgends besser zur Geltung als in jener wasserreichen, naturbelassenen Gegend im Süden des Landes, aus der sie stammen.
Tja... die Niederlanden also, das Land der Tulpen und der Windmühlen, das Land des malerisch-historischen Amsterdam, des modernen Rotterdams und internationalen Den Haags. Das Land also, dessen die Städte und Landschaft weitgehend bekannt sind, dessen Kulinarik allerdings vielen fremd und von den meisten verpönt wird. Wir wissen allerdings: zu Unrecht und jeder, der einmal den köstlichen Gouda oder Edamer, die süßen Desserts wie die Poffertjes-Pfannkuchen, die holländischen Miesmuscheln oder das Texeler Lammfleisch verkostet hat, wird's auch wissen. Deshalb: Hinfahren, hinschmecken und wissend abfahren und vorfreudig wiederkommen!
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