Osttirol
Unter Modernisten hat Osttirol das Image eines verbrämten, gottesfürchtigen Fleckens Österreichs – doch für Freunde rustikaler, echter und ehrlicher Lebensmittel ist Osttirol ein wahres Paradies und liegt damit genau genommen „voll im Trend“!
Osttirol ist seit je her ein Gebiet für die Schafszucht, die hier auf eine jahrhundertelange Geschichte zurückblicken kann. Weil Schafe vor allem für die Beweidung der steilen Almweiden hervorragend geeignet sind, zählt Osttirol heute zu den schafreichsten Regionen Österreichs. Wenig verwunderlich also, dass gerade das Osttiroler Berglamm zum Zugpferd der Osttiroler Gastronomie wurde, denn mit seinem sensationell schmackhaftem, feinst marmoriertem Fleisch verzückt es die Gaumen der verwöhntesten Feinschmecker.
War in früheren Zeiten die Schafwollerzeugung von zentraler Bedeutung, so stehen heute zwei andere Interessen im Mittelpunkt. Einerseits die angesprochene Produktion von hochwertigstem Lamm- und Schaffleisch, andererseits aber auch der touristische Aspekt, denn die zahlreichen Bergwanderer wollen im Sommer einfach gerne Tiere auf der Almweide sehen. Das gibt den Touristen nicht nur das gute Gefühl „dass hier die Welt noch in Ordnung ist“ sondern auch die Gewissheit, dass das Stück Fleisch am Teller eine großartige Qualität haben muss, wenn es den Tieren so gut gegangen ist.
Das Fleisch der Tiere wird auf zwei unterschiedliche Arten vermarktet. Einerseits durch sogenannte Direktvermarkter, andererseits durch die RGO Arena in Lienz (www.rgo.at ). Johann Stocker aus Assling ist einer der größten Direktvermarkter der Region und beliefert nicht nur Märkte, sondern auch regionale Gastronomie (Dörfl 6, 9911 Assling Tel.: 04855/ 8627). Einen anderen Weg der Direktvermarktung hat die Familie Lugger vom Gasthof Unterwöger in Obertilliach eingeschlagen, denn sie verarbeitet den Großteil der Produkte aus eigener Landwirtschaft – so auch die Lämmer – gleich in der hauseigenen Küche (www.hotel-unterwoeger.at ).
Selbstredend dass dieses Leitprodukt eine wesentliche wirtschaftliche Bedeutung für die Region hat, wie Christoph Preiner von der RGO ist Obmann der Genussregion Osttiroler Berglamm erläutert: „Die Qualität der Osttiroler Berglämmer stammt daher, dass wir schon sehr frühzeitig heimische, autochthone Rassen wie das Weiße Steinschaf mit fleischbetonten Rassen gekreuzt haben um eine optimale Fleischqualität zu erreichen. Neben dem Fleisch spielt aber auch die Herstellung von traditionellen Schafmilchprodukten und natürlich auch immer noch die Verarbeitung von Wolle eine große Rolle, weshalb die gesamte Geschichte rund um das Osttiroler Berglamm einen wichtigen Wirtschaftszweig bildet. Darüber hinaus machen die verschiedenen Vermarktungsinitiativen die gesamte Region über die Grenzen hinaus bekannt, denn ein Großteil des Fleisches wird exportiert, so stammt zum Beispiel ein Gutteil des „ja! Natürlich“ Lammfleisches aus Osttirol.“
Ziegen statt Lämmer beherrschen allerdings das Bild des Figerhof in Kals am Großglockner. Seine Ziegen gelten für Bauer Philipp Jans (Lana 1, 9981 Kals am Großglockner, figerhof@gmail.com) jedoch nicht primär als Fleischlieferant, sondern dienen in erster Linie der Milchwirtschaft. „Nur die überzähligen jungen männlichen Tiere werden zu Ostern geschlachtet und als Festmahl genossen!“ sagt Jans, ein Bauer aus Leidenschaft der sich mit diesem Hof einen Traum erfüllte: „Schon als Kind wollte ich Bauer werden, so kaufte ich mir als zehnjähriger von meinem ersten Taschengeld eine Ziege.“ Heute ist er Herr über eine imposante Herde von einigen hundert Tieren, die im Kalser Ortsteil Lena weiden. „Durch das kräuterreiche Wiesengras sowie das blumige Bergheu liefern sie und täglich frische Ziegenmilch, welche wir einerseits verkaufen, andererseits aber auch in der hofeigenen Käserei veredeln. Daraus entstehen aus der für ihre besondere Verträglichkeit bekannten Ziegenmilch unterschiedliche Joghurt-, Topfen- und Frischkäseprodukte, die wir vornehmlich am Markt vertreiben.“, so Bauer Jans, der schmunzelnd und nicht ohne Stolz hinzufügt: „Aber auch die regionale Spitzengastronomie liebt unsere Ziegenmilchprodukte und lässt sich gerne beliefern.“
Philipp Jans ist auch ein Produzent für die Initiative „Osttiroler Frühstück“, das die Koordinatorin Petra Wolffhardt (www.diewoelfe.at ) wie folgt definiert: „Eine kulinarische Entdeckungsreise fängt für uns bereits bei uns beim Frühstück an: Wir servieren Osttirol am Frühstückstisch. Saftige Almwiesen, Bäche mit reinstem Trinkwasser, kristallklare Luft – dazu ein südliches, alpines Klima – sind die Grundlagen für vorzügliche Produkte von herausragender Qualität. Was die Produzenten für das "Osttirol Frühstück" vereint, ist die Leidenschaft und Hingabe, mit der sie ihre frischen und schmackhaften Spezialitäten erzeugen. Dazu kultivieren und bewahren sie die Urlandschaft. Sie bauen regionaltypische alte Obst- und Getreidesorten an und lassen Rinder, Ziegen und Schafe auf sonnigen Hochalmen weiden. Mit langer Erfahrung, alten Rezepten, traditionellen Herstellungsmethoden und neuen Ideen, sowie mit Liebe und Hochachtung vor Natur und Tier, liefern unsere "Osttirol Frühstück-Partner" einzigartige regionale Spezialitäten, die dann bei den gastronomischen Partnerbetrieben verkostet werden können.“
Auch die Bäckerei von Ernst Joast in Lienz (www.joast.at ) ist ein Produzent dieser Initiative. Daneben aber auch bekannt für eine Köstlichkeit, die „Schüttel-Zwerge“ genannt wird. Schüttelbrot ist eine knusprige alpenländische Brotspezialität aus Roggenmehl, Germ, Wasser und Gewürzen (Kümmel, Anis, Fenchel, Schabziegerklee), die lange haltbar ist und seinerzeit für die mühsame Ernährung der Almwirtschaften diente. Die Bäckerei Joast hat sich nun den kulinarischen Wert dieser Spezialität zu Nutze gemacht und daraus ein einzigartiges kleines Knabbergebäck entwickelt, das sich eben Schüttel-Zwerge nennt und nicht nur als Snack, sondern auch hervorragend zu Käse & Speck mundet.
Osttirol wäre nicht Osttirol, gäbe es nicht auch hier vielseitige Speckgenüsse. Die 1945 gegründete Fleischerei von Andreas Ortner in Sillian (Sillian 88, 9920 Sillian, Tel.: 04842/ 6250) ist spezialisiert auf ein breites Sortiment an klassischen Schinken- und Speckspezialitäten, die vornehmlich aus regionalen, in Osttirol aufgezogenen Tieren hergestellt werden und zu den Besten Österreichs gezählt werden dürfen. Eine Besonderheit findet man in Matrei, denn die hier ansässige Fleischerei Mühlstätter (www.henkele.at ) erzeugt mit dem sogenannten „Osttiroler Henkele“ eine Trockenfleisch-Spezialität vom Allerfeinsten. Hierfür werden subtil gewürzte Fleischstücke auf über 1000 Meter Seehöhe über Buchenholzrauch geräuchert und anschließend luftgetrocknet.
Das Henkele – zu Deutsch: das Hängende – ist dabei kein Kunstprodukt der Neuzeit, denn die Bauern der Region haben in der bäuerlichen Hauswirtschaft schon immer Fleisch gepökelt, geräuchert und luftgetrocknet. Die Firma Mühlstätter hat also lediglich die Produktion dieser traditionellen Köstlichkeit perfektioniert. Am „gängigsten“ ist das Henkele vom Rind, aber auch Wild ist sehr beliebt. Es versteht sich aber fast von selbst, dass das Henkele vom Osttiroler Berglamm als die kulinarische Speerspitze gilt.
Zu einer echten Osttiroler Jause gehört – neben obligatorischem Bauernbrot, frischer Almbutter und Speck – natürlich auch ein Stück Graukas. Die zur Tirol Milch gehörenden „Tirol Milch reg. Gen.m.b.H“ ist der bekannteste Produzent für diese regionale Käsespezialität, die im hauseigenen „Osttiroler Molkereimarkt“ (Fanny Wibmer-Pedit-Straße 8, 9900 Lienz) bezogen werden kann.
Ursprünglich wurde der Graukas auf den Almen nur aus „Milchresten“ hergestellt, die man tagelang sammelte und aufgrund dessen quasi von alleine „sauer“ wurden. Nach dem Erhitzen dieser sauren Milchsammlung wurde der daraus gewonnene Topfen gesalzen, in Formen gepresst und auf Holzbrettern gereift. Der sich bei der Reife bildende blau-graue Schimmel gab dem Käse schließlich seinen Namen. Je nach Reife ist dieser Käse entweder bröselig-topfig (wenn jung und unreif; geschmacklich eher mild) bis hin zu gallertig-glasig (wenn sehr reif; hocharomatisch pikant).
Weit über Osttirols Grenzen hinaus bekannt sind seine Schnäpse, insbesondere die aus dem Dorf Dölsach mit seinen zahlreichen Sonnenstunden, die insbesondere dem Obstbau dienlich sind. Das typischste Produkt ist sicherlich der Osttiroler Pregler, ein Edelbrand der aus verschiedenen Apfel- und Birnensorten hergestellt wird.
Der seit 1643 in Familienbesitz befindliche „Kuenzhof“ (www.kuenz-schnaps.at ) gilt als der wichtigste Betrieb und ist nicht nur für seinen Pregler, sondern eine Vielzahl edelster und hochwertigster Obstbrände bekannt. Eine der vielen kleinen, mitunter sehr kreativen Schnapsbrennereien betreibt beispielsweise Silvana Steidl (9991 Dölsach 34, Tel.: 04852/ 68457), die sich mit Karottenbrand, Rote Rüben-Schnaps oder Knoblauchbrand einen Namen in der Szene machen konnte. Aber auch der Kuenzhof bringt immer wieder neue Produkte auf den Markt, so aktuell einen Kartoffel-Edelbrand.
Wird der Anbau von Kartoffeln ja noch einiger Maßen mit Osttirol in Verbindung gebracht (immerhin gibt es eine Genussregion Osttiroler Kartoffel), so sieht dies bei Spargel schon anders aus. Tatsächlich wird aber auch hervorragender Spargel gezogen, wenngleich nur von einem einzigen Bauern. „Eine Vision muss man leben und lieben und durchführen“, sagt Josef Kaplenig aus Lavant (www.michelerhof.at ) und fährt fort: „Meine Vision war es, Spargel anzubauen. Auf dem sandigen Schwemmlandboden wächst das königliche Gemüse, sowohl als Bleich- wie als Grünspargel, nämlich hervorragend und die Qualität, der Geschmack sowie die Frische unseres Spargels werden vor allem von Restaurants der Region geschätzt.“
Auch Bernd Troger in St. Jakob im Defereggental bewies Innovationsgeist, denn er kam auf die Idee, mit dem hervorragen, kristallklarem Wasser Osttirols kreative Senfsorten anzurühren (senf@defereggental.at) . „Am Anfang ist immer das Wasser! Die Grundvoraussetzung, um einen hervorragenden Senf herzustellen“, erklärt Bernd Troger, der als Koch in vielen Spitzenrestaurants auf der ganzen Welt gearbeitet hatte und sich jetzt mit Leidenschaft der Senfherstellung hingibt. Troger, der als der „Philosoph unter den Senfmanufakturen“ gilt, maischt in diesem kristallklaren Wasser über vier Wochen die Senfsaat kalt ein, damit sich die ätherischen Öle entfalten können. Exotische Gewürze und heimische Früchte verleihen dann seinen Senfen jene persönliche Note, die seine Produkte so markant werden lässt – und daher gesellt sich hier Trüffel-Senf ganz leger neben Holler- oder Preiselbeersenf.
Den süßen Abschluss dieses kleinen kulinarischen Überblicks soll die Früchteküche der Familie Unterweger bilden. Auch wenn es die Unterweger-Marmeladen mittlerweile in gut sortierten Supermärkten gibt, so ist die Firma grundsätzlich auf die Belieferung von Bäckereien, Konditoreien und Gastronomie spezialisiert. Leitprodukt des Hauses ist – wie könnte es anders sein – die Preiselbeere, denn mit der Verarbeitung dieser regionalen Wildfrucht begann für die Brüder Ignaz und Josef Unterweger der Einstieg in die Obstveredelung im Jahre 1931. Heute ist Frau Mag. Michaela Hysek-Unterweger in dritter Generation für die Geschicke des Familienunternehmens verantwortlich und leitet die edle „Tiroler Früchteküche“ (www.fruechtekueche.at ).
Die Osttiroler Gastronomie verfolgt ganz offensichtlich den Grundsatz, mit modernisierten Traditionsrezepten ihre Gäste zu verwöhnen – und das gelingt ihr sowohl rustikal, wie auch kreativ nicht selten hervorragend! Im Göriach sorgt man beim Schoberblick (Göriach 155, 9954 Schlaiten, Tel.: 04853/ 5323) beispielsweise mit aufwendig hergestellten Bauernkrapfen sowie dem typischen Weihnachtsessen namens Osttiroler Blattlstock - einem mächtigen Kunstwerk aus gebackenen Germteigplatten, die mit einer Mohnfülle versehen aufeinandergestapelt werden um anschließend mit reichlich Butter übergossen zu werden – für staunende Blicke.
Auf der Moosalm in Lienz (www.moosalm.info ) ist man mit handgekrendelten Schlipfkrapfen und Knödelvariationen, von denen jahrjährlich abertausende in reiner Handarbeit gefertigt werden, ebenfalls sehr bodenständig. Im kürzlich ins zwei Haubensegment erhobenen Dölsacher Tirolerhof (www.tirolerhof.or.at ) setzt Küchenchef Hans Peter Sander auf moderne und kreative Gerichte mit regionalem Bezug und serviert als eines der wenigen Lokale sogar Murmeltier (Osttirol ist eine der Regionen Europas, wo das Murmele legal bejagt werden darf).
Christian Flaschberger, Küchenchef im Grand Hotel Lienz (www.grandhotel-lienz.com ), setzt nicht auf Exoten, sondern auf eine leichte Stilistik, die dem Zeitgeist gerecht wird und von ihm als „dolomitenleicht“ bezeichnet wird – ein schönes Beispiel hierfür ist sein Kärntner Lax’n mit Kartoffelvariationen.
Schließlich findet man in Matrei mit der in einer Tennishalle befindlichen Pizzeria Saluti (www.saluti-matrei.com ) eines der ungewöhnlichsten Gourmetlokale des Landes, denn hier kocht mit Ernst Moser (seines Zeichens übrigens der ehemalige Leibkoch von BILLA-Gründer Karl Wlaschek) ein ganz Kreativer, der auch vor molekularen Elementen nicht zurückschreckt, wenn sie für ihn kulinarisch Sinn machen; dabei legt er aber immer erkennbaren Wert auf die heimischen Aromen. Wahrlich mehr als ungewöhnlich für eine Tennishalle.
Wie all die genannten Beispiele verdeutlichen, punktet Osttirol mit einer ganzen Reihe von hervorragenden kulinarischen und gastronomischen Betrieben, deren gemeinsame Nenner die Natürlichkeit und ihre Verbundenheit mit der Region sind. Die Rede ist dabei aber nicht von künstlich geschaffenen Produkten, sondern von ganz traditionellen Köstlichkeiten, die bereits lange vor dem sogenannten Gourmet-Reisenden hier zu finden waren. Und Osttirol hat mit diesem kulinarischen Konzept, das kaum jemals aufgesetzt, sondern stets „echt und ehrlich“ wirkt, berechtigten Erfolg, weil es damit dem Trend eines modernen Qualitäts-Tourismus voll und ganz gerecht wird.
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