Republik Mazedonien
"Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien" lautet der etwas langatmige und eigenwillige Name Mazedoniens, auch Makedonien genannt. Der Name entstand aus einem Streit mit dem benachbarten Griechenland, das den Namen Makedonien (griechisch Μακεδονία, Makedonía) für seine gleichnamige nördliche Provinz beanspruchte, als sich die jugoslawische Teilrepublik unter dem Namen Republik Mazedonien (mazedonisch Република Македонија, Republika Makedonija) für unabhängig erklärte. Griechenland befürchtete Gebietsansprüche und reklamierte das antike kulturelle Erbe der historischen Region Makedonien für sich allein, was historisch betrachtet nicht korrekt ist. Bis heute sind sich beide Länder, trotz Intervention der Vereinten Nationen, noch immer nicht einig über den endgültigen Namen. Dabei ist der politisch motivierte Streit weder kulturell noch wirtschaftlich von Bedeutung und wird von vielen Einwohnern hüben wie drüben als unsinnig betrachtet. Griechenland ist trotz allem der wichtigste Handelspartner der ehemaligen jugoslawischen Republik, griechische Unternehmen investierten im nördlichen Makedonien so viel wird nirgendwo sonst. In der südlichsten Region des ehemaligen Jugoslawien leben nicht nur Makedonier, sondern auch Griechen, Türken, Albaner, Serben (wenngleich weniger als Türken), Walachen und Zigeuner. Makedonien hat mit vielen Vorurteilen zu kämpfen, denn das weitgehend unbekannte Land gilt als abgelegene, fast unterentwickelte Region, die vom Opium-, Gemüse- und Obstanbau lebt; ihr haftet der Ruf an, eine Brutstätte für Aberglauben und absonderliche Bräuche aller Art zu sein. Vergessen wird dabei gerne, dass ein gewisser Alexander der Große – bekanntlich Makedonier – einst ein Weltreich zwischen Balkan und Pamir eroberte und damit seiner Heimat die Tore zur Welt öffnete. So kamen Gewürze, exotische Zutaten und Gerichte aus dem Morgenland, bisher unbekannte Obst- und Gemüsesorten sowie Kunst und Kultur nach Europa. Alexander gab seiner Heimat eine Identität, auf die man sich noch heute beruft, sowohl im griechischen wie auch im mazedonischen Gebiet.
Das Schicksal Makedoniens war eher wechselhaft: Die Römer errichteten zahlreiche Bauwerke, die Slawen ruinierten dann fast alle wieder und siedelten sich dennoch an; die Jünger der Slawenapostel Kyrillos und Methodios machten Ohrid zur Wiege des slawischen Christentums; die Byzantiner brachten fremde Speisen und Kultur, die Bulgaren eine neue Ordnung; die Serben erhoben es zur wichtigsten Provinz ihres mittelalterlichen Staates und die Türken residierten hier mehr als ein halbes Jahrhundert. Letztere ließen sich die schmackhaften Forellen aus dem Ohrid-See bis nach Istanbul liefern – früher gab es dort sogar wunderbare Aale, aber die sind seit dem Kraftwerksbau vor einigen Jahren so gut wie verschwunden. In den vergangenen Jahrzehnten bildete sich in Makedonien eine nationale Bewegung heraus, die eine eigene Sprache entwickelte; die makedonisch-orthodoxe Kirche löste sich 1967 von der serbisch-orthodoxen.
Auf Eigenheiten, wie etwa den Fischfang mithilfe von Kormoranen, trifft man in diesem an Eigenheiten reichen Landstrich mehr, als man sich vorstellen kann – auch in kulinarischer Sicht: Bekannt sind Pastrmka na ohridski načn (Forelle nach Ohrider Art, mit Backpflaumen gefüllt), Pastrmka na kajmaku (eine mit Käse überbackene Forelle) oder Karpfen mit Reis und Eiern gefüllt.
Auch in Makedonien beginnt ein ordentliches Essen mit einem Schnaps, dem Mastika, einem mit Anis aromatisiertem Obstbranntwein mit harzigem Geschmack. Zum Aperitif genießt man kleine Käsewürfel, Oliven, Perlzwiebeln, Tomatenviertel mit Olivenöl oder geröstete Salzmandeln – fast wähnt man sich in Griechenland.
Hauptbestandteile der makedonischen Küche sind aber Lammfleisch, Gemüse und Obst. Gerade der Obstanbau hat sowohl in der hellenistischen Provinz Griechenlands als auch im Süden Makedoniens eine jahrtausendealte Tradition. Nicht umsonst wird der Obstsalat in Italien bis heute Macedonia genannt.
Die Gerichte sind ursprünglich und deftig: mit Käse überbacken oder angereichert, mit saurer Sahne und/oder Joghurt zubereitet oder auch mit einer Mischung aus Mehl, Eiern und Milch gebacken, wie beim Lammfleischgericht Janija. Viele der typisch makedonischen Gerichte haben griechische Wurzeln, einige bulgarische und weit weniger, als man denken mag, türkische. Klassiker sind Jagnjeća čorba (Lammsuppe mit Zwiebeln, Paprikaschoten, Tomaten und Weißwein), Tavće-gravče (Bohneneintopf mit Unmengen von Knoblauch und scharfem Paprikapulver), Crvene paprike sa suvim mesom i jajima (mit scharfen Pfefferschoten gekochtes Rauchfleisch, das anschließend mit verquirltem Ei im Ofen überbacken wird) oder Skopie kukurek (Lammkutteln nach Art von Skopje, mit viel Sauermilch serviert). Bei den Süß- und Nachspeisen stehen neben frischem Obst der omnipräsente Obstsalat, Kompotte (meist mit Grießbrei aufgetischt), zwischen Oblaten gepresste Obstcremes mit Alkohol und last but not least die berühmten Tufahije, die gefüllten makedonischen Äpfel. Der Apfel ist die Frucht der Makedonier schlechthin, denn er ist nicht nur feste Zutat in Obstsalaten und Obstbränden, sondern auch bei Hochzeitsfeiern: Vor der ersten gemeinsamen Nacht nimmt jeder der Brautleute einen Apfel, teilt ihn in zwei Hälften, gibt die eine dem Partner und isst die andere. Wenn das nicht Frieden stiftend ist, was dann?
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