Serbien
Auf den ersten, meist zu oberflächlichen Blick wirkt Serbien wie ein Land voller Lebensfreude und der Esprit, den man hier verspürt, ist geradezu fesselnd. Dennoch ist bei einer genaueren zweiten Betrachtung auch eine melancholische Grundstimmung offensichtlich. Nicht ohne Grund, denn allein Belgrad ist im Laufe der Geschichte mehr als vierzigmal(!) zerstört worden. Hätten die Südslawen gewusst, worauf sie sich bei ihrer Landsuche einließen, sie hätten sich wohl anders entschieden – aber die malerische Gegend rund um die Flüsse Drina, Zeta, Piva, Tara, Iba und Morava war zu verführerisch. Zudem boten Donau und Save ideale Lebensadern und Verkehrsverbindungen. Man mochte offensichtlich das langsam ansteigende Land, man liebte das fruchtbare gut bewässerte Land und das nahegelegene Meer war spürbar. Die Südslawen gedachten hier endlich zur Ruhe zu kommen und sollten das Gegenteil erleben.
Serbiens Küche ist das zwangsläufige Spiegelbild seiner Geschichte und seiner Seele. Natürlich ist sie einerseits eine Mixtur aus altslawischer, türkischer und (teilweise) auch ungarischer Küche, doch sie ist für die Serben noch viel mehr: mit Stolz betrachten sie ihre Küche als Quelle der Freude und der Lebenslust! Bei Sliwowitz und Bier wird man in Serbien immer wieder daran erinnert, wie wichtig das Essen und Trinken für die Serben ist. Immerhin stammt mit den rühmten ćevapčići das wahrscheinlich bekannteste Balkan-Rezept aus Serbien. Man weiß, dass die Ursprünge dieser Ikone der Balkan-Küche in der Gegend rund um die Stadt Uzice liegen dürften, doch es gibt auch eine andere Erklärung: „Als die Angewohnheit der Slawen, Fleisch am Rost zu grillen, mit der Gewohnheit der Türken zusammenfiel, Fleisch mit Vorliebe zu hacken, lag die Erfindung von ćevapčići & co quasi auf der Hand“.
Nicht minder beliebt sind die anderen köstlichen Fleischgerichte, wie die sehr würzigen ražnjići (meist aus Schweinefleisch oder Lammfleisch zubereitet), pljeskavica (eine Art „serbischer Hamburger“, nur weit würziger (oft auch sehr scharf) und immer vom Holzkohlengrill), ćulbastija (gegrilltes Schnitzel vom Rost, mit viel Zwiebeln aufgetischt) oder auch vješalica (geräucherte und gegrillte Schweinefleisch-Happen). In Serbien kommen selbst die "eingefleischten" Carnivoren auf ihre Kosten.
Ein Ćulbastija (Schnitzel) krönt aber selbst die ohnedies üppige serbische Fleischküche und stolz wird das Prachtstück in fast allen Belgrader Restaurants, die etwas auf sich und traditionelle Küche halten, aufgetischt – es handelt sich hierbei um das ćulbastija „Karadjordje“, heute besser bekannt als das Karadjordjeva Steek (zu Deutsch: Gebackenes Steak alla „Karadjordje"), eine wirklich(!) große Fleischrolle, die üppig mit Kajmak gefüllt und anschließend paniert und gebacken wurde.
Es verhält sich natürlich keineswegs so, dass die Serben sich ausschließlich von Fleisch ernähren - auch wenn vor allem die serbischen Männern immer wieder ihre Liebe zu den fleischlichen Genüssen betonen. Aber ein Gang über den schönen Markt von Belgrad belehrt eines Besseren: Gemüse in Hülle und Fülle bestimmt hier das Angebot. Doch in Sachen Gemüsen hält sich die Serbische Küche vornehm zurück und bedient sich zumeist an Türkischen, Griechischen und Bulgarischen Rezepturen. Diese werden aber nur in den wenigsten Fällen im Original nachgekocht, sondern zumeist dem regionalen Geschmack angepasst. Und das macht Serbiens Küche nicht nur interessant und liebenswert, sondern auch authentisch.
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