Cabrera

Das Ausflugsboot kämpft sich durch die aufgewühlte See vor Mallorcas Südostküste. Seit der Abfahrt in Colònia de Sant Jordi legt es sich mal nach links, mal nach rechts. Das geht so über 18 Kilometer. Vor den ersten kleinen Felseninseln des Nationalparks Cabrera kommt das Meer noch einmal so richtig in Wallung. Dann biegt das Boot in den Hafen ein...
Wenn man einen Touristen fragt wie viele Inseln zu den Balearen gehören, wird man in der Regel die Antwort bekommen: „Vier Inseln. Mallorca, Ibiza, Menorca und Formentera“. Da wird oft und öfters schon einmal vergessen, dass auch noch eine fünfte Insel bewohnt ist. Eben Cabrera, die kleinste der fünf.
Und für die ganz Unwissenden: Die Balearen umfassen insgesamt 151 Inseln die auch alle ihren Namen haben. Manche sind allerdings so klein, dass fünf Seevögel reichen, um sie voll zu besiedeln, sodass sie nicht zu den "großen" fünf besiedelten zählen.
Die Insel Cabrera ist eigentlich gar keine Insel, sondern ein ganzes Archipel mit 19 Inselchen, die zusammen den seit 1991 benannten Nationalpark Cabrera-Archipel bilden. Die übersetzte Bezeichnung “Ziegeninsel“ trägt Cabrera dabei nicht ohne Grund. Bis vor wenigen Jahren nahmen die vielen Ziegen der Insel fast ihr letztes Grün. Nun hat man sie weggebracht, doch das Wirken der Hornträger ist noch heute zu sehen. Trotzdem herrscht auf der 17 km² großen Insel Cabrera Natur pur: Felsige Hügel wechseln sich mit reichen Pflanzenarten ab – kleine Buchten laden zum Verweilen ein, einige sogar zum Baden. Sie bieten geschützte Nistplätze für zahlreiche Seevögel.
Die kleine Insel Cabrera kann man von der Südspitze Mallorcas aus sehen – nur 13 Kilometer trennen das Naturparadies von ihrer großen Schwester. Von Colónia San Jordi gibt es die Möglichkeit, zum Nationalpark Cabrera überzusetzen. Viele Tagestouristen kommen auf die Insel, um sich von der rauen Landschaft sowie dem Pflanzen- und Tierreichtum verzaubern zu lassen. Eine winzige Siedlung bestehend aus ein paar Häusern scheint die einzige Zivilisation zu sein. Maximal 20 Personen leben auf der Insel. Die meisten arbeiten für die Regierung und haben nach einer Woche Arbeit auf Cabrera eine Woche Urlaub. Seit Mitte April 2014 erst gibt es eine Unterkunft auf der kleinsten bewohnten Balearen-Insel, für Touristen, die ohne eigenes Boot anreisen und über Nacht auf Cabrera verweilen.
Bewegende Geschichte
Die geschichtliche Vergangenheit der Insel Cabrera – einst war sie ein Hafen für Piraten und Internierungslager für französische Kriegsgefangene – ist noch in einer alten Festung aus dem 16. Jahrhundert und im Museum der Insel sichtbar.
Klein aber oho – das gilt für Cabrera besonders beim Blick auf die Historie der Insel. Nach Phöniziern und Karthagern kannten auch die Römer die Insel. Sie vermuteten hier sogar den Geburtsort von Hannibal, was aber nie geklärt wurde. Einige Zeit gehörte sie mit den Balearen zum Byzantinischen Reich.
Im 16. Jahrhundert wurde die Burganlage oberhalb des Hafens errichtet, um die berüchtigten Piratenüberfälle in Schach zu halten. Berberische Piraten fuhren zwei Jahrhunderte von Cabrera aus Attacken gegen die mallorquinische Küste. Danach war es lange ruhig, bis die spanische Krone während des Unabhängigkeitskrieges gegen Napoleon tausende von Kriegsgefangene nach Cabrera brachte und die Männer dort ihrem Schicksal überließ. Ein gutes Drittel der Franzosen verließ die Insel nicht mehr lebend. Noch heute zeugen die Inschriften in den Festungsmauern vom Leid der Gefangenen. Ein Denkmal in der Inselmitte erinnert an die tragische Geschichte.
Übrigens: Sogar der spanische Diktator Franco machte sich Cabrera zunutze. Er wollte nicht, dass die Alliierten mitbekamen, dass er Nazi-Deutschland mit Penicillin versorgte. So schaffte er die Antibiotika auf das vergessene Inselchen im Mittelmeer, wo deutsche U-Boote die Medizin dann unauffällig abholten. Auch nach dem Tod des Generalísimo war Cabrera bis weit in die achtziger Jahre Militärgebiet.
Eine der schönsten Attraktionen der fast unbewohnten Insel: Die Cova Blava, die Blaue Grotte am nördlichsten Zipfel Cabreras. Vor allem am Nachmittag scheint die Sonne in die Höhle hinein und lässt das Wasser so blau erscheinen, dass es fast schon künstlich wirkt. Das letzte Bad im blauesten Blau ist der krönende Abschluss eines Cabrera-Ausfluges.
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