C. Valenciana
Es gibt Städte, in die verliebt man sich auf den ersten Blick. Valencia gehört nicht dazu. Erst wer den Industriegürtel hinter sich gelassen und die Altstadt erreicht hat, will doch verweilen. Und dann fügt sich auch alles zu einem Ganzen in der drittgrößten Stadt Spaniens: Wein und Orangen, Oliven und Mandeln, Fluss und Meer, Moderne und Geschichte; und man versteht, wieso Valencia schon im Altertum als „ein auf die Erde gefallenes Stück Himmel“ bezeichnet wurde.
Regionale Küche Valencia: Das bedeutet für viele Kenner der spanischen Küche zuerst einmal Paella. Und auch wenn die Kulinarik der Region viel umfassender und weitreichender ist, ist das Reisgericht dennoch das Aushängeschild der valencianischen Küche. Die Valenicaner behaupten gern und oft, in Barcelona habe man keine Ahnung von Paella. Wer sich überzeugen will, sollte eine Bootstour auf dem Albufera-Fluss unternehmen. Der See liegt südlich von Valencia in einem sumpfigen Naturschutzpark und in den Sümpfen, weiß jeder Valencianer, gibt es den besten Reis. Übrigens: Die Paella Valenciana besteht wie auch viele andere Paella-Varianten hauptsächlich aus Reis, der mit Safran leuchtend gelb gefärbt wird, dazu kommt Huhn und Kaninchen.
Ein anderes Gericht, das auf dieselbe Art in derselben Pfanne zubereitet wird wie Paella, ist die Fideuà, die von Ausländern teilweise fälschlich als Nudel-Paella bezeichnet wird; Basis einer Paella ist aber immer Reis. Die Fideuà gibt sie mit dicken und mit dünnen Nudeln. Typische Zutaten sind Fisch und Tintenfische, heute oft auch Meeresfrüchte. Die Nudeln werden entweder mit Safran gelb oder mit Sepia der Tintenfische schwarz gefärbt.
Religiöse und Kulinarische Zweiteilung
Die alten Römer – ebenfalls bekannte Freunde guter Küche - nannten den Landstrich entlang der Mittelmeerküste Valentia (die Starke) und schenkten Parzellen dieses Landes an verdiente Veteranen. Auch Goten, Araber, Kastilier, Aragoneser und Katalanen trugen im Lauf der Jahrhunderte zur Eigenart der Region und zur Bereicherung der valenzianischen Küche bei. Im 8. Jahrhundert übernahmen die Mauren die Herrschaft und leiteten eine Ära ein, deren Einflüsse bis heute auch in kulinarischer Hinsicht zu spüren sind: Aus Nordafrika und dem Nahen Osten brachten Reisende und Händler neue Kulturpflanzen wie Reis, Zuckerrohr, Orangen und Mandeln mit, sie schufen ausgeklügelte Bewässerungssysteme in der Region Valencia, erbauten großartige Paläste, und ihre Dichter und Gelehrten verliehen der Kultur neue Impulse. Im Jahr 1094 befreite Rodrigo de Vivar, genannt El Cid, für einige Zeit die Maurenfestung Valencia, doch erst 1238 gelang es König Jaime I. von Aragonien, die Stadt endgültig wieder für die Christen zu erobern. Seit dieser Zeit prägt ein starker Dualismus die Region: Die Adeligen, die Jaime ansiedelte, lebten in feudalen Strukturen im gebirgigen Hinterland, die Bürger dagegen als weltoffene Handelsleute im Küstenstreifen. Während man im Hinterland seit Jahrhunderten kastilisches Spanisch (castellano) spricht, pflegen die Bewohner der Küste das valenciano, das sehr stark dem Katalanischen (Catala) ähnelt.
Und auch die Küche Valencias gibt sich zweigeteilt: In der heißen, fruchtbaren Küstenebene an der Costa de Valencia sind die Obst- und Gemüsegärten eine unerschöpfliche Quelle für einfache, leichte Köstlichkeiten. Fleisch spielt hier eine eher untergeordnete Rolle, es dominieren Fisch und Meeresfrüchte, die vor der Küste frisch gefangen und gern unverfälscht serviert werden. Unverzichtbarer Bestandteil der einheimischen Küche ist der Reis, den die Valencianer mit großer Phantasie zubereiten. Kein Gericht hat es zu vergleichbarem Ruhm gebracht wie die oben genannte Paella Valenciana, die weit über Spaniens Grenzen hinaus bekannt ist: Allein die öffentliche Zubereitung einer Paella in einer riesigen Pfanne, wenn Fiesta gefeiert wird, oder Paella-Essen in Spezialitäten-Restaurants ist ein Erlebnis. Im Gegensatz zur Küste ist das gebirgige Hinterland eher karg. Hier kommen häufig Wild und Zicklein in den Topf, man kocht sehr erdverbunden und spart nicht an Kalorien.
Valencia Orange und Erdmandelmilch
In Mittel- und Nordeuropa gilt sie als exotische Frucht, in Valencia wächst sie nicht nur im Umland auf Feldern, sondern auch in den Städten als Zierpflanze: Die Orange. Die Zitrusfrucht hat aus Valencia nicht nur eine wohlhabende Metropole gemacht, sie verkörpert auch das Lebensgefühl der Stadt. Im Winter, wenn es andernorts kalt und kälter wird, kommt die Orange zu ihrer Reife leuchtet statt in der Wintersonne Valencias. Im Frühjahr gelangen die Orangenbäume zur Blüte und betören die Stadt mit ihrem süßen, schweren Duft. Auch kulinarisch sind die Valencia Orangen für ihre Köstlichkeit bekannt und finden in zahlreichen Desserts ihre Veredelung.
Auch die leckere Erdmandelmilch, die Horchata, sollte man einmal getrunken haben, am besten in der traditionellen Horchateria Santa Catalina im Zentrum.
Mercado Central: Ein kulinarisches Erlebnis
In der Stadt, in der die Paella erfunden wurde, ist der Mercado Central ein Erlebnis: Am Morgen bis zum frühen Mittag werden Fisch, Gemüse, Früchte und Fleisch auf 8000 Quadratmetern feilgeboten - das schönste Ausstellungsstück aber ist die Halle selbst: ein Jugendstilgebäude nach einem Entwurf aus dem Jahr 1914, mit Panoramafenstern und Kuppeln. Tipp: Auf dem Heimweg in der Tasca Ángel einkehrten – wegen der frischen, mit Knoblauch gebratenen Sardinen; die man einmal in seinem Leben gekostet haben muss.
Abschließende Worte zu finden, ist kein Leichtes, was aber wohl noch einmal in seiner Aussage korrigiert werden muss, ist der Anfangssatz dieses Artikels. Wir erinnern uns: Es gibt Städte, in die verliebt man sich auf den ersten Blick. Valencia gehört nicht dazu. Das mag wohl so stimmen, auf den zweiten und dritten Blick aber offenbart Valencia jene Art von (kulinarischen) Charme, dem man restlos verfällt.
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