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Extremadura

​​ Echt und authentisch: In der Extremadura werden Fleischträume wahr. Von herzhaften Eintopf-Mekka mit Lamm und Ziege bis zu legendären Schinken- und Wurstspezialitäten.
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Extremadura – extrem hart oder extrem dürr? Diese Deutung liegt nahe, wenn man im menschenleeren, ausgedörrten Südosten der Extremadura in Spanien über Land fährt. Doch weit gefehlt! Hier wird man nicht nur landschaftlich mit Vielseitigkeit überrascht: Ausgetrocknete Ebenen und grüne Weiden wechseln sich mit Bergen, Seen, Wiesen und Getreidefeldern ab.

Der Name der Region geht übrigens auf „extremo del Duero“ zurück: Auf das Niemandsland auf der Südseite des Duero, neben dem Ebro, einem der bekannten Flüsse in Spanien. Hier verlief während der Rückeroberung Spaniens die Grenzlinie zwischen Christen und Muslimen, die sich mit dem Rückzug der Mauren immer weiter nach Süden verschob. Als Miteroberer der Neuen Welt bescherten Hernán Corés, Núñez de Balboa und die Brüder Pizarro ihrer Heimat im 16. Jahrhundert eine Epoche gewaltiger Blüte: Von Lateinamerika brachten spanische Soldaten nicht nur Gold und Silber mit. Auch Kartoffel, Mais, Tomate und Paprika fanden ihren Weg in die Extremadura und bereicherten die traditionelle, regional-typische Küche der südspanischen Region. Extremadurische Küche beinhaltet demnach also eine Mischung spanischer, jüdischer, maurischer und christlicher (vor allem die Klöster waren über lange Zeit hinweg die Träger der extremenischen Küchenstilistik) Essgewohnheiten, Zutaten und Rezepte: Der Charakter der Küche der Extremenos ist schlicht, aber echt und authentisch.

Und die extremenische Küche wäre nur halb so besonders und so gut, wäre da nicht ihre erstklassige „Materia prima“, also die ausgezeichneten und vielfältigen Produkte der vielschichtigen Region. Hier mag man keinen Schnickschnack, kein Geschminke und Aufbrezeln, sondern das Echte, Natürliche: Die traditionelle Küche der Extremdura ist bekannt für ihre herzhaften Schmortöpfe mit Schaf, besonders Lamm, Ziege und Schwein. Und die Schinken und Würste aus dieser Region sind sowieso legendär.

Was die Einflüsse aus aller Welt anbelangt, sollte man sich übrigens das arabische Gericht „Sinabi“, den Vorgänger des typischen Fleischeintopfs der Extremadura (Caldereta Exteremena, aber dazu später mehr), und die jüdische „Adefina“, ein Fladen ohne Hefe, merken, die bezeugen: Die Extemenos wissen, was sie tun und was es zu übernehmen und einzuverleiben gilt, nämlich nur das Beste aus den jeweiligen Kulturen und Küchenstilen.


DAS Eldorado für Fleischliebhaber

Die Krönung der Küche der Extremadura ist das Schwein aller Schweine: das „Iberische Schwein“, „El cerdo ibérico“, das wegen seiner Rassenmerkmale den besten Schinken weltweit liefert. Aus seinem Fleisch werden zudem hervorragende luftgetrocknete Würste hergestellt, die so wunderbar munden, dass sie eigentlich ein ganzes Onlinemagazin nur für sich allein verdient hätten.

Ebendiese Wurstspezialität wäre ohne die mitgebrachten Geschmäcker der Neuen Welt durch die Eroberer Lateinamerikas nicht möglich gewesen. Das wichtigste Mitbringsel Kolumbus aus Amerika, das er dem spanischen König im Kloster von Guadalupe damals feierlich und stolz (zu Recht!) überreicht, ist nämlich die Pimentón de la Vera – Paprika aus der Extremadura. Heute werden die Schoten im Tal der Vera im Norden immer noch mühsam von Hand geerntet, über Rauch 13 bis 15 Tage lang getrocknet und dann in einer der kleinen Paprikamühlen in der Region ganz langsam gemahlen. Wer diese zugegebenermaßen wirklich scharfe Sorte nicht unbedingt mag oder verträgt, dem sei die milde, auch süß genannte, Variante „dulce“ ans Herz gelegt, oder die mittelscharfe Variante „agridulce“. Man merkt schon: Die Paprika ist in der Extremadura die Königin aller Gewürze. Wie sollte es auch anders sein, ist sie doch ein essentieller Bestandteil der Iberischen Würste, von denen schon schwärmend gesprochen wurde und die typischen Wurstsorten chorizo und lomo zum Beispiel wären ohne pimentón überhaupt gar nicht erst denkbar.

Köstliche Speisen zaubert die traditionelle Küche auch aus Lamm und Zicklein, basierend auf den mittelalterlichen Essgewohnheiten der Mauren und Juden, die ohne Schweinefleisch auskamen. Richtig deftig darf es da dann sein! Im Frite extremeno vereinen sich Bratenstücke und Leber vom Zicklein mit Tomaten und Paprika zu einem würzigen Mahl. Beim Cochifrito werden Teile vom Lamm und Zicklein mit viel Knoblauch und Zwiebeln in Olivenöl geschmort. Der ganze Stolz der Region mündet aber fleischtechnisch vor allem im Caldereta Exteremena, dem Eintopf für festlichen Gelegenheiten. Dafür werden Lamm und Zicklein gemeinsam in Wein gegart – und ein guter Tropfen fließt zum Verzehr natürlich auch in ausreichender Menge in die Gläser und Münder.

Nicht zu vergessen sind die Wildbestände der zahlreichen Wälder der Extremdura: Rebhuhn, Kaninchen, Hase, Wildschwein und Hirsch werden häufig in einer delikaten Sauce aus Pilzen gegart oder als hervorragende Eintöpfe zubereitet. Denn apropos Wild – diese Bezeichnung bezieht sich nicht nur auf köstliches Fleisch, sondern auch auf die vielen wilden Gemüsesorten, wie den Wildspargel und die Wildpilze wie Kaiserling, Erdbrieschen oder die Steinpilzarten „boleto negro“ und „boleto de pino“, Edelreizker, Parasol, Ritterlinde und Wiesenchampignons: Sie verleihen der traditionellen extremenischen Küche unerwartet viel Pfiff!


Desserts: Käse und Ungewöhnliches

So außergewöhnlich wie das Iberische Schwein, ist die „Torta del Casar“, ein cremiger Schafskäse, mit Sicherheit einer der begehrtesten Käse in Spanien, der zusammen mit den Käsesorten „La Serena“, „Ibores“, „Gata“ und dem Ziegenkäse „Cabra del Tietar“, eine unvergleichbare Käseplatte bildet, die zu jedem Abschluss eines Menüs gehört. Was alle Käsespezialitäten der Extremdura aber eint, ist ihr strenger Geschmack – vielleicht vor allem ein Genuss für Spezialisten und Wagemutige.

Nicht jeder wird die traditionelle Nachspeise der Extremadura mögen, probieren sollte man sie aber auch jeden Fall: Rapapálos ist ein Gericht aus allem, was in einfachen, ländlichen Haushalten immer verfügbar war: Eier, Semmelbrösel, Olivenöl und Zimt in einer Milchsauce. Ebenso ungewöhnlich erscheint Técula mécula, die eigentlich nur aus Unmengen an Eigelb, Zucker und Mandeln besteht, dazu ein wenig Schweineschmalz und Mehl.


Gutes Olivenöl und noch viel besserer Wein

Ohne Olivenöl geht in der klassischen Extremadura-Küche gar nichts. Das gilt nicht nur für Eintöpfe, Gazpachos, und vor allem migas, die leckeren knusprig gerösteten Brotkrumen. Die Extremeños machen auch bei ihren Süßspeisen vor dem Einsatz hochwertiger Öle aus Oliven der Region nicht halt. Und so erstaunlich es erst einmal klingen mag, sie lieben Fisch. Um genau zu sein, Süßwasserfische, die dank der Flüsse ebenfalls die regionale Speisekammer bereichern. Vielfach in der Küche verwendet werden die Olivenöle aus den nordöstlichen Bergregionen Gata-Hurdes. Fast golden ist deren Farbe, sehr intensiv ihr Aroma. Und eine leicht bittere Note besitzt das Aceita Monterrubio aus den südwestlichen Bergen.

Die Extremenos bevorzugen ihre einheimischen Weine aus dem Anbaugebiet Ribera del Guadiana, am liebsten den roten. Kein Wunder, immerhin zählt die Extramdura seit römischen Zeiten zu den klassischen Weinregionen Spaniens. Dabei wird hauptsächlich aus der Tempranillo-Traube gekeltert. Mit seiner ausgeprägten Fruchtnote passt diese Weinspezialität hervorragend zu den kräftigen Gerichten der Extremenos. Eine besondere Rolle spielt übrigens der Vino de Pitarra. Um ihn ranken sich Legenden, seit er erstmals durch Francisco Pizarro, den Eroberer Perus, Erwähnung fand. Der junge, höchstens ein Jahr alte Wein wird seitdem zu geselligen Anlässen und Familienfesten getrunken – trotz oder vielleicht auch wegen seiner eher bescheidenen Qualität. Zum Abschluss gibt’s dann noch meist einen Likör aus Eicheln (Likor de bellota) oder einen Kirschschnaps aus dem Tal von Jerte, das bekannt und berüchtigt ist als Obstparadies: Nicht nur Kirschen gedeihen hier zu vollaromatischer Pracht, auch Pflaumen, Feigen und Kastanien sind hier heimisch und werden zu köstlichen Likören verarbeitet, oder im Falle der Kastanie zur unwiderstehlichen Kastanien-Crème.


Schlicht und einfach, aber gut – die Extremenos wissen, was sie können und ihnen am besten steht. Hier mag man keinen Schnickschnack bei den Zutaten, wohl aber eine gute Qualität der Produkte.

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