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Kanarische Inseln

Aus Armut geboren, verbindet die kanarische Küche Schlichtheit mit Einfallsreichtum: Eintöpfe, Runzelkartoffeln mit einer Salzkruste und Mojos, vielseitigen, kalten Soßen sind die kulinarischen Aushängeschilder.
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Cocina casera, kanarische Hausmannskost, besteht aus einer bunten Mischung von Gerichten aus aller Herren Länder: Fenchel aus Andalusien, Yams aus Afrika, Safran aus der Mancha, Pudding aus England, Nudeln aus Italien und Chayote aus Venezuela. Diese Kost erinnert daran, dass die Kanaren 400 Jahre lang Drehscheibe dreier Kontinente waren.

Die kanarische Küche ist ein Mix aus verschiedensten Traditionen und kulturellen Einflüssen: spanische Rezepte vom Festland treffen hier auf afrikanische und lateinamerikanische, in einigen Gerichten wie dem Kaninchen in Salmorejo Sauce (conejo en salmorejo) sind darüber hinaus sogar Gewürze aus Marokko beigemengt und vergessen werden dürfen natürlich auch die Einflüsse der kanarischen Ureinwohnern, der Guanchen, und die ganz eigenen kanarischen Aromen und Gewürze - Geschmacksexplosion vorprogrammiert!

Hier wird und wurde stets mit dem gekocht, was die Natur schenkt und in Hülle und Fülle bietet: Saftiges Gemüse, Obst und feine Kräuter. Fleisch und Fisch blieben bis ins 20. Jh. hinein ein Luxus, den man sich nur selten leistete. Zum Schutz vor dem Verderben mussten tierische Nahrungsmittel vor Einführung des Kühlschranks in Salz eingelegt oder getrocknet werden. Als besondere Spezialität entwickelten die Kanarier daher ihre adobos (Marinaden- oder Würzmischung). Wochen- oder gar monatelang zogen die Speisen in diesen scharfen Beizen aus Öl, Essig, Lorbeer, Kräutern, Knoblauch und Pfeffer und entfalteten erst danach ihren typischen Geschmack. Reste gab es keine. Das, was übrig blieb, landete früher in Gerichten mit so blumigen Namen wie ropa vieja, was auf Deutsch „alte Kleidung“ heißt und mit charmanter Deutlichkeit auf die wiederverwendeten Ingredienzen hinweist. Ropa vieja, puchero und rancho canario, Fleisch- und Gemüseeintöpfe, werden heute natürlich alle frisch mit Schweinefleisch, Kichererbsen, Kartoffeln, Nudeln, Zwiebeln, Safran, Knoblauch und der spanischen chorizo, einer pikanten Paprikawurst, zubereitet und gehören zum Kräftigsten und Urigsten, was Teneriffas Küche zu bieten hat. So entwickelte sich über Generationen die kanarische Traditionsküche. Eine beliebte Eintopfspezialität, die man unbedingt kosten sollte, ist der potaje canario, ein bunter Gemüseeintopf, der neben Kartoffeln, Bohnen und Kürbis viel Safran enthält und in jedem Restaurant ein bisschen anders zubereitet wird – wie ein derber-uriger Schwank in einer spätabendlichen Kneipe.

Und übrigens: Es waren die Spanier, die die Kartoffeln 1562 den Kanaren aus Amerika mitbrachten. Die kanarischen Inseln waren nämlich ein wichtiger Handels- und Haltepunkt auf dem Seeweg nach Mittel- und Südamerika. Hier wurden die Kartoffeln erstmals angebaut und vermehrt, erst 1565 erreichen sie das spanische Festland. Viele der auf den Kanaren heute noch kultivierten Kartoffelsorten (das sind über 20!) kommen diesen ursprünglichen Sorten noch sehr nahe.

Wenn Fischträume wahr werden

Bei der Lage der kanarischen Inseln keine Überraschung, für Fischliebhaber aber deshalb keine mindere Freude: Fisch und Meeresfrüchte beherrschen mittlerweile Teneriffas Speisekarten. Ob frittierte Tintenfische, frisch gegrillte Sardinen oder Garnelen, Krabben oder Langusten – die Auswahl ist so groß und schier unendlich wie der Schuhschrank der stereotypen Frau. Historisch gesehen ist das eigentlich kurios, denn die Guanchen waren eher schlechte Fischer. Daher ist die Zubereitung vor allem vom Stil der spanischen Einwanderer geprägt. A la plancha, schlicht in heißem Olivenöl in der Pfanne gebraten, schmecken vieja, cherne, sama, caballa, bocinegro am besten. Sie sind allesamt äußerst bissfeste kanarische Fische, die mit Salat und mojo ihren Geschmack besonders gut entfalten. Ebenfalls begehrt sind panierter pulpo und choco, zwei Tintenfischarten. Weitere Must-Trys: Caldo de pescado (Fischsuppe) und die vieja sancochada (gekochte Seebrasse).

Eine für manche Gaumen etwas ungewohnte Fischspezialität ist übrigens der berühmte kanarische Sancocho. Das ist ein Gericht, bei dem Trockenfisch zusammen mit Kartoffeln oder auch Hülsenfrüchten, Zwiebeln und Knoblauch zubereitet wird. Und wie so oft wird auch Sancocho eine Mojo gereicht, meistens die Variante in rot.

Die Kanaren und ihre Mojos

Die Rede war gerade von ihnen und geht noch ein wenig weiter: Wer an die kanarische Küche denkt, denkt sofort auch an die vielseitigen, kalten Soßen, auch Mojos genannt: der wichtigste Bestandteil nahezu aller Gerichte der Region. Sie werden als Dipp verwendet und auch als Beilage zu Fleisch, Fisch und Brot verspeist, am liebsten aber als Mojo verde zu den heiß geliebten Kartoffeln: die Papa arrugadas (Runzelkartoffeln mit einer Salzkruste) seien jedem ans Herz gelegt! Um die Zutaten in seinem persönlichen mojo macht auch jeder kanarische Koch ein großes Gewese, die Basis ist aber immer dieselbe: Für die rote Variante braucht es Olivenöl, Knoblauch, Salz und roten Paprika (je nach Geschmack schärfer oder milder); in der grünen Variante wird der Paprika entweder durch Koriander (cilantro) oder Petersilie ersetzt.

Gofio – eine Hommage an das kanarische Erbe

Die Rede war bereits von den Anfängen der kanarischen Küche in Armut und Schlichtheit. Die Ureinwohner der Kanarischen Inseln, die Guanchen, stammten vermutlich von Berbern ab und brachten Vieh und Saatgut mit auf die Inseln. Weitere zur Verfügung stehende Nahrungsmittel waren Hülsenfrüchte, Wildfrüchte, Oliven, Melonen, Feigen und Datteln und natürlich Fisch und das Fleisch der Schafe und Ziegen.

Die Essgewohnheiten der Guanchen, die auf einer steinzeitlichen Entwicklungsstufe standen, da sie kein Metall kannten, wurden durch die Ankunft weiterer Berber und der Europäer nachhaltig beeinflusst. Sowohl Griechen, Phönizier als auch Normannen haben die Inseln vermutlich entdeckt. Ab dem 13. Jahrhundert war der Archipel unter Portugiesen, Spaniern und Genuesern umkämpft, die Spanier eroberten die Inseln im Verlauf des 15. Jahrhunderts vollständig, unterwarfen und christianisierten die Guanchen und verfolgten diejenigen, die sich nicht anpassten, so dass von ihrer Kultur nur wenig überliefert ist. Ein Beispiel ist das mit einem Mühlenstein gemahlene Mehl namens gofio, das aus gerösteter Gerste, Mais und Weizen hergestellt wird und noch heute ein essenzieller Bestandteil der kanarischen Küche ist. Überall, wo Quellwasser durch Schluchten sprudelte, mahlten Mühlsteine. Immer verfügbar und universell verwendbar war das gelbe oder hellbraune Pulver somit, ein proteinreiches, sättigendes Nahrungsmittel, das die Guanchen, die kanarischen Ureinwohner sowohl für Brot als auch Suppen verwendeten. Wer gofio escaldado, mit Gofiomehl angedickte caldo (Brühe), auf einer Speisekarte findet, sollte das unbedingt probieren. Innovative Köche mischen das feine Pulver inzwischen sogar zu Speiseeis und Bananenpüree - verwegene, aber durchaus schmackhafte Kreationen.

Gofio bildet außerdem die Grundlage für zwei besonders leckere kanarische Desserts, das helado de gofio (gofio-Eis) und das mus de gofio (gofio-Mousse). Aber auch ohne gofio können die Kanaren herrliche Dessertspezialitäten zaubern, beispielsweise den Flan (spanisch „leche asada“), was so viel wie gebackene Milch mit Eiern bedeutet. Und weil hier Soßen ja so sehr geliebt werden, gibt's natürlich neben pikanten auch süße, am beliebtesten darunter ist jene dickflüssige Soße, die die Kanaren liebevoll „miel de palma“ getauft haben.

Probieren sollte man auch den köstlichen ron miel (Honigrum), der als lokale Spezialität gilt und an Markständen, in Geschäften und an den Bars der meisten Restaurants angeboten wird. Die meisten trinken ihn pur oder mit ein wenig Eis, wohingegen andere ihn gerne zum Kaffee hinzufügen. Außerdem wird überall auf der Insel das leicht-herbe Bier Teneriffas und Inselwein getrunken: Und abermals fällt das Schlagwort Teneriffa, ist es doch der größte Weinproduzent des kanarischen Archipels.

Wenn die kanarische Küche´auch aus Armut und Schlichtheit entstand, kann sie heute doch mit Reichtum und Vielseitigkeit auftrumpfen.

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