Ungarn
Die Küche der Ungarn ist, im Gegensatz zu ihrer Sprache, nicht unverfälscht geblieben; 150 Jahre Türkenherrschaft hinterließen nicht zu übersehenden türkisch-kulinarische Spuren wie die Paprika; über den Wiener Hof kam nach dem Abzug der Muslime im 16. Jahrhundert auch die französische Kochkunst ins Karpatenbecken; die Sowjetzeit brachte die Mayonnaise aus Sibirien; die aus Galizien vertriebenen Juden die Gänseleber, die Flódni (Nuss-Mohn-Torte) oder das Kuttengulasch und der örtliche Metzger Markus Pick ließ Mitte der vorigen Jahrhunderts die vielen italienischen Gefangene im Gefängnis der Burg der Stadt Szeged für sich kochen und entdeckte so die Salami, in Ungarn heute als „szalámi“ bekannt und mindestens genauso schmackhaft wie die italienische Originalversion.
Es ist sogar historisch belegt, wie und wann etwa die eingebürgerten Gerichte Ihren Weg in die ungarische Küche fanden. Die ältesten, ursprünglichen Küchengerichte der Ungarn stammen sicherlich aus Asien. Türkische Völker, sogar die Iraner bzw. Perser behaupten vom Kesselgulasch, das hätten die Ungarn von ihnen einst übernommen, als die Ungarn noch mit ihnen zusammen waren. In der Tat sind es Gerichte, die in Asien gebliebene ungarische Triebe dort als ihre eigenen Küchenspezialitäten betrachten. In späteren Zeiten waren es überwiegend türkische und deutsche Küchenspezialitäten, die in den entsprechenden Besatzungszeiten ihren Weg in die ungarische Küche fanden.
Die ungarische und die österreichische Küche
Gerichte wie Paprikahuhn, Palatschinken, Lángos, Letscho oder Strudel – in Ungarn als Rétes bekannt – lassen aufhorchen. Das hat man doch schon einmal bei einer anderen Küchenstilistik gehört? Ja, der österreichischen. Und auch mit Spezialitäten wie Tokajer-Wein, Pick-Salami oder Paprikagewürz in sämtlichen Schärfegraden kann auch die österreichische Küche auftrumpfen. Wie sollte es auch anders sein: eine in vielerlei Hinsicht gemeinsame Vergangenheit, eine in vielerlei Hinsicht gemeinsame Küche.
Die deutsche und die ungarische Küche: Die Siebenbürger Sachsen
Vor 900 Jahren wurden im Osten von Ungarn deutschsprachige Handwerker und Grubenarbeiter angesiedelt in damals menschenleeren Gegenden. Da sie weitgehend Analphabeten waren, vergaßen sie ihre Herkunft im Laufe der folgenden Jahrhunderte. Als ihre Schulbildung etwa ab dem 17. Jahrhundert begann, holten sie die ersten deutschsprachigen Lehrer zum Erlernen des Schreibens in der eigenen Muttersprache. Die ersten dieser Lehrer kamen aus Sachsen und so hielten sie alles für sächsisch, was deutschsprachig war. Soviel zur Bezeichnung der Siebenbürger Sachsen. Ihre Vorfahren waren in der Tat eigentlich weitgehend Moselfranken, aber das konnte erst neulich von Historikern nachgewiesen werden.
In der Ära von Maria Theresia begann die zweite große Auswanderungswelle nach Ungarn, von da an siedelten die sog. Donauschwaben in die von Türken entvölkerten Regionen Ungarns. Sie brachten ihre Essgewohnheiten und sonstige Gepflogenheiten mit sich. Die Küche der Siebenbürger Sachsen und der Donauschwaben lässt sich heute in ganz Ungarn erkennen. Auch wenn ein jeder auf seine eigene Küche pocht, vieles wurde von den anderen abgekupfert. Die Unterschiede zwischen der Küche der heute weitgehend assimilierten Einwanderer und der Ungarn sind kaum noch zu erkennen. Fast alle Gerichte sind beiden Völkern bekannt, ähnlich oder gleich. Ein Beispiel für die dennoch vorhandenen Unterschiede: Wo in Deutschland Salz und Pfeffer verwendet wird, benutzt man in Ungarn Salz und Paprikapulver - nicht überall, nicht immer, aber oft. Paprikapulver wurde allerdings erst vor rund 100 Jahren in die ungarischen Kochrezepte gemogelt - von einem Paprikamühlenbesitzer.
Die ungarische Küche, wie sie leibt und lebt und mundet
Spricht man über ungarische Küche, fallen sofort die Worte „Paprika und Gulasch“, die so untrennbar mit diesem Land verbunden sind wie Spaghetti mit Italien. Doch fand der feuerrote Paprika als Gewürz, gemahlen oder in Schotenform, erst seit dem 18. Jh. Allmähliche Verbreitung in der ungarischen Küche. Nachweislich kam der (türkische Pfeffer) bereits im 16. Jh. mit den Türken ins Land, diente zunächst als Arznei und entwickelte sich im Lauf der Zeit zu einem charakteristischen Bestandteil der Nationalküche - allerdings nicht immer feurig und scharf. Groß ist die Palette milder Paprika (különleges), Delikatesspaprika (csemege), Rosenpaprika (rózsa), Edelsüßpaprika (édes-nemes) und scharfer Paprika (csípös). In der Regel wird in Ungarn weit weniger scharf gekocht als geredet, und es bleibt dem Gast überlassen, den Schärfegrad der Speisen durch Nachwürzen selbst zu bestimmen.
Ein weit verbreiteter Irrtum betrifft das wohl bekannteste Gericht Ungarns, das ungarische Gulasch (gulyás), das schon lange ein fester Bestandteil internationaler Speisekarten ist. Denn die Ungarn verstehen unter "Gulasch" ein im Kessel – traditionell über offenem Feuer- gegarte deftige Fleischsuppe, wie sie die Rinderhirten (gulyás) einst aßen und auch teilweise noch heute zubereiten. Die ursprünglichen Zutaten, Fleisch, Kartoffeln und Zwiebeln, werden heute durch Paprika, Gemüse, Kümmel, und Knoblauch ergänzt; das Gericht bleibt aber immer noch eine Suppe. Das, was im Ausland die Bezeichnung "Gulasch" trägt, ist in Ungarn ein Ragout aus Fleisch, Fisch oder Pilzen und verbirgt sich hinter dem Namen pörkölt. Wird dieses Gericht mit Saurem Rahm (tejföl) verfeinert, heißt es paprikás ; ersetzt schwarzer Pfeffer den Paprika spricht man von tokány. Und am Balaton ist es beispielsweise auch üblich, Fisch statt Fleisch zu verwenden.
Was den Fleischgenuss anbelangt, gibt es in Ungarn Gewürze-Richtlinien. Kümmel, aber vor allem Knoblauch sollte man bei der Zubereitung von allen Fleischgerichten nicht vergessen, weil nach einer Sage aus den östlichen Landesteilen "Fleisch ohne Knoblauch eine Beleidigung für die Seele des Tieres ist, das man gerade isst".
Traditionell werden die meisten Speisen mit Schmalz und Speck gekocht. Das allein deutet schon daraufhin, dass in der ungarischen Küche nicht gerade Schmalhans Küchenmeister ist. Auch die ohne Zweifel zu den feinsten Leckerbissen gehörende Gänseleber (libamáj) ist in allen Varianten, als Pastete, als Füllung, Paniert oder gebraten, köstlich. Gemüse und frische Salate gibt es eher in geringer Zahl, dafür aber besonders schmackhafte Saisonfrüchte wie Aprikosen, Pfirsiche, Kirschen, Himbeeren und Melonen.
Was in Ungarn in allen häuslichen Gärten wächst: Tomate und Paprika. Eigentlich aus Südamerika stammend, kam die Paprika auf dem Schiff von Kolumbus im Jahre 1494 nach Europa. Die erste schriftliche Nachricht über die Kultivierung von Paprika in Ungarn stammt aus dem Jahr 1570. Die Kultivierung beider Gemüsesorten erreichte ihren Höhepunkt in der sozialistischen Ära, als weite Teile eines ausgehungerten Volkes nur noch Tomate und Paprika zum Schmalzbrot leisten konnte, gleichzeitig den Westtouristen in Glanzbroschüren Gulaschkommunismus vorgegaukelt wurde. Franz Josef Strauss aus Bayern war in dieser Zeit vom Gulaschkommunismus besonders begeistert, weil im Gemenzer Wald an der südlichen Donau kapitale Hirsche in Hülle und Fülle ihm vor die Büchse getrieben und auf sein Jagdglück in einer Reihe mit den Parteichefs aus dem gesamten Ostblock ein Hirsch tot nach dem anderen zum Aprikosenschnaps posaun wurde. Wieviel Leid er dort den Siebenbürger Sachsen angetan hat, wie viele deutsche Familien er auseinander riss, als er von dort die Jüngeren freikaufte, darüber spricht man auch heute noch nicht.
Als kleine Zwischenmahlzeit sind Lángos, in fett ausgebackener Hefeteig, eine köstliche Alternative zu den sich im Land immer stärker ausbreitenden Fast-Food-Ketten. Die einfachste Variante ist nur mit Knoblauch bestrichen, aber man kann auch Sauerrahm, Käse oder „Magyaros“ wählen. Die ungarische Art bezeichnet eine im weitesten Sinne mit einem Ratatouille vergleichbare Gemüseauflage (lecso), die überwiegend aus Zwiebeln, Tomaten und Paprika zubereitet wird. Lecso (Letscho) dient auch als Basis für allerlei Gerichte.
Eine Spezialität der Ungarn ist die „szalámi“ deren Ursprungsland allerdings Italien ist. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts waren viele italienische Gefangene im Gefängnis in der Burg der Stadt Szeged. Der örtliche Metzger Markus Pick ließ einige von ihnen für sich arbeiten und kochen. Die Häftlinge räucherten die ihnen aus ihrer Heimat bekannte und geliebte Salami am Ufer des Flusses Theiss – Der Fluss hatte ein besonderes Mikroklima und in diesem speziellen Mikroklima der Depots überzog ein feiner, grauer Edelschimmel die Salami. Der Schimmel hat der Wurst nicht nur Haltbarkeit, sondern auch einen charakteristischen Geschmack verliehen.
Wer es lieber süß, als herzhaft mag, findet in Ungarn sehr gute Konditoreien. Mindestens diese zwei Torten haben weltweiten Ruhm erlangt: Die Esterházytorte aus geschichtetem Nussteig mit einer Vanillecremefüllung und die Dobostorte, deren Herstellung aus sechs Schichten Biskuit und einer Füllung aus Schokobuttercreme schon so manchen Bäcker zur Verzweiflung getrieben hat. Eine andere süße Spezialität mit dem fast unaussprechlichen Namen Királyi Kürtöskalács ist vor allem in der Weihnachtszeit ein echter Gaumenschmaus: In Ungarn werden diese Rollen aus Hefeteig auf den Weihnachtsmärkten über offenem Feuer zubereitet und vor dem Verzehr mit Zucker und Zimt bestreut.
Ungarn ist ein Weinland. Neben einigen hervorragenden Mineralwässern und dem eher nach tschechischer Brauart hergestellten Bier ist Wein das Traditionsgetränk. Weine wie die von Tokaj und Eger (Erlauer Stierblut, Egri bikavér) sind weltbekannt; andere, weniger bekannte warten auf ihre Entdeckung, so z. B. die feurigen Rotweine von Villány und Szekszárd oder die harmonischen Weißweine vom Badacsony. Auch winzige Weinbaugebiete wie der Hügel von Somlo Mit seinem Lämmerschwanz (juhfark) sind einen Ausflug wert.
Ungarische Regionalküchen
- Die Balaton-Region bietet eine reiche Auswahl an Süßwasserfischen wie darunter Zander (fogas), Karpfen (ponty), Wels (harcsa), Stoer /kecsege), und Hecht (csuka). Außerdem bieten die stark bewaldeten Bakony - Berge einen Reichtum an Pilzen und Wild
- Die Gegend um Szeged ist neben Kalocsa Ungarns bedeutendstes Zentrum für Paprikaanbau. Bekannte Gerichte aus dieser gegend sind bspw. die boullabaise-ähnliche Szegediner Fischsuppe (szegedi halászlé), die mit reichlich Paprika gewürzt ist.
- Die ostungarische Tiefebene rund um die Stadt Debrecen brachte die Deberciner Würtschen hervor. Außerdem wird in dieser Gegend viel mit Kräutern wie Dill, Majoran, Estragon. Rosmarin und Thymian gewürzt.
Von A wie Atemberaubende Weine bis Z wie Zauberhaft-köstliches Gulasch hat die ungarische Küche, so viel sei versprochen, für jeden Buchstaben des Alphabets und jeden Gaumen das richtige zu bieten.
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