Transdanubien
Kurz nach Bratislava erreicht die Donau ungarisches Territorium, fließt noch ein Stück weiter in westöstlicher Richtung und schwenkt dann abrupt nach Süden. Fast scheint es so, als wolle sie den westlichen Teil Ungarns geografisch von Rest trennen. Tatsächlich bildet dieser westliche Teil Ungarns zusammen mit dem heutigem Burgenland (das übrigens bis 1921 ebenfalls ungarisches Gebiet war und "Deutsch-West-Ungarn" genannt wurde) die historische Region Pannonien, die einst zum römischen Reich gehörte. Landschaftlich erinnert hier vieles an das, was man auch vom Burgenland her kennt. Transdanubien umfasst die Regionen West-Transdanubien, Mittel- und Südtransdanubien sowie - streng genommen - auch die (in Fließrichtung) rechts der Donau liegenden Teile des Komitats Pest.
Sanfte Hügellandschaften wechseln sich ab mit Feldern und Hainen und was den Burgenländern ihr Neusiedlersee, das ist für die Transdanubier der Balaton, besser bekannt als der Plattensee - nicht umsonst wird dieser größte Binnensee Europas auch das "Meer der Ungarn" genannt.
Und so wie die Burgenländer ihr Schloss Esterházy in Eisenstadt lieben, so ist das in Fertö gelegene Schloss gleichnamigen Adelsgeschlechts nicht minder bekannt. Bis heute tragen viele der berühmtesten Ungarischen Spezialitäten den Beinamen "à la Esterházy". Man denke nur an den herzhaften Rostbraten "Esterházy" oder die elegante Esterházy-Schnitte.
Weitere bekannte Zentren mit langer Geschichte und lebhafter Kultur sind beispielsweise Sopron (Ödenburg), Vas (Eisenburg) oder Szombathely (Stein am Anger). Nicht nur landschaftlich, geschichtlich oder kulturell erinnert vieles an den Osten Österreichs, sondern naturgemäß auch kulinarisch. Nirgendwo sonst findet man eine intensivere Verschmelzung der Pannonischen Hirtenküche mit der imperialen Küche der Habsburger - und das führte dazu, dass einerseits die rustikalen Bauerngerichte der Region salonfähig werden konnten, andererseits die teilweise wenig praxistaugliche Hofküche Einzug in die Küchen des Bürgertums nehmen konnte. Und dieser Austausch führte dazu, dass die Pannonische Küche zu einer der interessantesten und vielseitigsten Regionalküchen Europas werden konnte.
Das hat dieser schöne Landstrich nicht zuletzt auch der Natur zu verdanken, die hier mit unzähligen Viktualien für abwechslungsreich gedeckte Tische sorgt: man denke nur an den weltberühmten Fogas (Zander) aus dem Neusiedlersee und dem Balaton, an Donaufische wie Waller oder Huchen, an die unvergleichlichen Mangalitzaschweine mit ihrer dicken Speckschicht, an die Pilze aus dem Bakony-Gebirge, an schmackhafte Enten und Gänse, edlen Honig und aromatische Kastanien von den Ausläufern der Alpen im Mecsek-Gebirge oder an die wunderbaren Weine vom Balaton. Sie alle werden zu köstlichen, meist deftig-würzigen Gerichten verarbeitet, die Zeugnis von einer unvergleichlichen Lebensfreude abgeben.
Wer jemals in dieser Region einer Hausschlachtung mit anschließendem Schlachtfest beiwohnen durfte oder seinen Speck über dem Lagerfeuer grillte, während Zigeuner leidenschaftlich musizierten, wer jemals einen Esterházy-Rostbraten am "Originalschaupaltz" genossen oder einen mit Kastanien gefüllten Gänsebraten genießen durfte, der weiß, dass er sich hier in einem einzigartigem Zentrum einer Küche befindet, deren höchstes Anliegen nicht allein das "Nährende", sondern weit mehr noch als das der "gute Geschmack" ist. Und das ist in Zeiten, wo gerade dieser vielerorts wegen all zu ambitionierten (und nicht selten vollkommen übertriebenen) Modernisierungen zu leiden hat, etwas Wunderbares! Möge sich die Region Transdanubien diesen edlen Schatz bewahren, denn er sorgt nicht nur für Freude am Gaumen, sondern für Authentizität - und das ist in Zeiten wie diesen vielleicht noch wichtiger!
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