Alt-Wiener Erdäpfelgulasch
Historisches
Es gibt wohl kaum ein Gericht der Wiener Küche, das mit der Zeit derart verfälscht worden ist, wie das Paradegericht der „Arme-Leut’-Küche“: das Wiener Erdäpfelgulasch. Als am 9. Mai 1873, jenem Schwarzen Freitag der österreichischen Wirtschaftsgeschichte nur wenige Tage nach der Eröffnung der Weltausstellung und wirtschaftlicher Euphorie der dramatische Zusammenbruch folgte, stürzten viele Familien ins Unglück. Nicht wenige Neureiche wurden wieder arm und Arme noch ärmer. Es musste buchstäblich jeder Heller ungedreht werden und Schmalhans war Küchenmeister.
Wie immer gab es aber Leute, die zumindest die Fassade aufrechterhalten wollten und ihre Armut weder zeigen und schon gar nicht zugeben wollten. Es ist eine wahre Geschichte, dass man in vielen Häusern am Sonntag aus den Küchen lebhaftes Klopfen vernehmen konnte, ganz so als ob echte Sonntags-Schnitzel zubereitet werden würden. Doch die wissenden Hausmeisterinnen lächelten dann hämisch und tuschelten hinterrucks: „Da klopfen’s beim Pokorny wieder mit der Faust auf die flache Hand, damit ma alle glauben, sie ham heut’ Schnitzerln. Dabei hab’ i die gnädige Madam selber g’sehn, wie’s beim Rossfleischhauer um zwanzig Kreuzer a dürre Wurst kauft hat, fürs Erdäpfelgulasch!“
Dass aber auch sparsamst gekochte Gerichte durchaus köstlich schmecken können, beweist nicht zuletzt eindrucksvoll das Erdäpfelgulasch. Puristen sind der Ansicht, dass außer den drei Grundelementen (Erdäpfeln, Zwiebeln und Bauchfilz/Schmalz), zwei/drei Gewürzen und reinem Wasser nichts anderes etwas im echten Erdäpfelgulasch zu suchen hätte, doch schmeckt es mit ein Paar Debrecziner-Würsteln, Scheiben von Burenwurst oder Dürren (vorzugsweise aus Pferdefleisch) noch mal so gut – und diese hinzuzufügen ist sicherlich kein Sakrileg!
Zutaten
würfelig geschnitten (ist der nicht zu erhalten, darf man Schmalz nehmen)
gepresst
in Scheiben geschnitten, nach Belieben
Zubereitung
Die Erdäpfel schälen und vierteln oder in große Würfel schneiden, keinesfalls dürfen sie zu klein gewürfelt werden. Eine gusseiserne Kasserolle auf die Flamme setzen und in dieser den würfelig geschnittenen Bauchfilz auslassen (bzw. das Schmalz erhitzen). Zwischenzeitlich die Zwiebeln fein nudelig schneiden, hinzufügen und im Fett schön goldbraun rösten. Dann den Topf vom Herd nehmen. Erdäpfel leicht mit glattem Mehl stauben und zu den Zwiebeln geben. Alles einige male umrühren, danach den Topf wieder auf den Herd stellen und die Erdäpfel unter gelegentlichem umrühren rundherum anbraten, aber keine Farbe nehmen lassen.
Sodann nimmt man den Topf abermals vom Herd und überstreut alles mit den beiden Paprikapulvern, evt. darf eine Spur Knoblauch hinzugegeben werden. Gut umrühren, dann wieder auf die Flamme stellen und mit heißem, aber nicht kochendem Wasser gerade soviel aufgießen, dass die Erdäpfel knapp bedeckt sind. Nun salzt man nach Geschmack und lässt
das Erdäpfelgulasch auf kleiner Flamme vor sich hin köcheln. (Wenn das Gulasch nahezu fertig ist, kommen die Wurstscheiben hinein.). Das Gulasch ist gar, wenn die Erdäpfel weich sind. Dazu wird ein knuspriges Kümmelbrot gegessen.
Tipp
1. Wohlhabendere Bürger haben das Erdäpfelgulasch mit einem Schuss Madeira-Wein verfeinert, auch wurde sogenannter Süßsauer-Rahm (ein Süßrahm mit Zitronensaft gewürzt) mit einer Gabel ins fertige Erdäpfelgulasch gerührt.
2. In moderneren Rezepten wird das Erdäpfelgulasch zusätzlich mit Pfeffer, Majoran, Kümmel und/oder auch Essig gewürzt. Das mag gut schmecken, hat aber mit dem Originalrezept wenig zu tun.
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