O roie (allettante)/ O tre Garibaldi

Historisches
Mit diesem Rezept befinden wir uns quasi im Herzen der cucina povera Neapels, denn historischer geht es puncto Pasta kaum mehr. Mario Avallone (Patron der "La Stanza del Gusto") erklärt, was sich hinter diesem Begriff verbirgt: „O roie ist ein napulischer Dialektausdruck, der soviel wie „zwei Münzen“ bedeutet. Früher, als die maccheroni noch von fahrenden Händlern verkauft wurden, kostete eine Portion maccheroni genau zwei Münzen – daher der Begriff.“ Gemeint ist in diesem Fall also nichts anderes, als eine Portion Nudeln mit Käse (bzw. Käsesauce).
Doch damit gaben wir uns nicht so recht zufrieden, vor allem aus einem Grund: Mario serviert seine O’Roie mit einer Tomatensauce obendrauf. Wenn es sich also bei den O’Roie um die alte Form der Pasta vecchia napoletana (siehe Rezept) handelte, was hatte dann die Tomatensauce darauf verloren?
Marco Galli (Inhaber des Lokals „Il Principe“ in Pompeji), der ebenfalls ein solches Rezept kennt und anbietet klärt dann vollends auf: „Mit dem Dialektausdruck O’Roie kauften sich die einfachen Leute ihre einfachen maccheroni mit Käse, welche zwei Münzen kosteten. Doch als die Tomatensauce auf den Nudeln populär wurde, boten die Händler und Lokale noch eine feinere Variante an, die zusätzlich mit einem Klecks Tomatensugo serviert wurde. Man nannte dieses Gericht im Dialekt „O tre Garibaldi“, weil es drei Münzen kostete und die Tomatensauce an das rote Hemd Garibaldis erinnerte.“
Das bedeutete also, dass das Gericht in der La Stanza della Gusto zwar original ist, doch ohne Tomatensauce serviert werden müsste oder mit dem richtigen Namen „O tre Garibaldi“ auf der Karte stehen sollte. Das mag jetzt vielleicht spitzfindig klingen, tatsächlich ist das aber für die Neapolitaner (zumindest für die Traditionalisten und den Neapolitanern – und das sind die meisten von ihnen) sehr wichtig, weil es sich um ein Kulturgut handelt.
Küchentechnisch haben beide Rezepte ebenfalls eine wichtige Bedeutung, denn es waren die ersten Formen der Pasta, die nicht knuddelweich gekocht wurden (wie es früher in Neapel immer üblich war), sondern tatsächlich al dente. Manch ein Historiker geht davon aus, dass sie – weil ein Schnellgericht auf der Straße bzw. am Markt – überhaupt nur fujenni (also halbgar) genossen wurden. Mario Avello meint dazu, dass die maccheroni hierfür al dente gekocht werden sollten (er bereitet das Gericht sogar mit Röhrennudeln zu), Marco Galli vertritt die Ansicht, dass die Pasta fujenni zu sein habe, weil man sie mit Vermicelli zubereiten sollte.
Tatsächlich liebt man halbgar gekochte Vermicelli bis heute in Neapel, doch unsere Eigenversuche haben ergeben, dass das Gericht am besten mit al dente gekochten Bucatini schmeckt. Egal ob mit Bucatini, Vermicelli oder sonst einer Pasta zubereitet sind aber zwei Faktoren ganz entscheidend: 1. Der Käse muss zartschmelzend die Pasta umschmeicheln und 2. Es wird nur wenig, aber stark eingekochtes Tomatensugo auf den Nudeln angerichtet. In der vollendeten Form – also als „O tre Garibaldi“ – ist diese Pasta einfach nur sensationell gut.
Zutaten
für die O'Roie
(man kann auch Vermicelli verwenden)
frisch gerieben
außerdem für die "O tre Garibaldi"
wie oben beschrieben
sehr reife Exemplare wählen (ersatzweise BIO-Ware aus der Dose)
Zubereitung
O'Roie (Grundrezept)
Die Bucatini al dente kochen abgießen und einen Schöpfer Kochwasser zurückbehalten. Die Nudeln in einer Schüssel großzügig mit fein geriebenem Käse bestreuen und soviel heißes Nudelwasser dazu geben, dass der Käse schmilzt, cremig wird und sich fein um die Pasta schmiegt. Gut vermischen und servieren.
O tre Garibaldi
Die Tomaten waschen, der Länge nach halbieren und zusammen mit Basilikum, Zucker und Salz in einem geschlossenen Topf zum Kochen bringen. Sobald die Tomaten zerkocht sind, die Flamme herunter drehen, den Deckel abnehmen und die Sauce weiterköcheln lassen, bis die gesamte Flüssigkeit verdunstet ist. Mit einem Passiergerät das gesamte Kochgut durchtreiben.
Vorbereitete O‘ Roie auf Tellern anrichten und mit einem schönen Klecks Tomatensauce bedeckt auftischen (wer mag, garniert mit Basilikum).
Tipp
Es ist keineswegs ein Sakrileg, wenn man die Pasta vor dem Servieren mit etwas frisch gemahlenem schwarzen Pfeffer bestreut.
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