Meissl & Schaden
Wer heute vom Rindfleischwagen in den »Drei Husaren« kostet, merkt nicht mehr viel von der Tragik hinter Wiens berühmtestem Rindfleischrezept: dem Tafelspitz. Graf Palffy verkaufte 1938 seine »Drei Husaren« rechtzeitig vor Kriegsausbruch an den Berliner Stargastronomen Otto Hocher, der es zum Völlereilokal ungustiger nationalsozialistischer Bonzen machte – als Horcher erkannte, dass der »Endsieg« ewiges Wunschdenken bleiben würde, setzte er sich 1943 nach Madrid ab. Die »Drei Husaren« haben diese Wirren halbwegs unbeschadet überstanden. Weniger gut erging es da dem ehemaligem »Rindfleischparadies« auf Erden, dem legendären Meissl & Schadn auf dem Neuen Markt: Zuerst wurde das im 17. Jahrhundert gegründete Traditionshaus arisiert und anschließend im Krieg zerstört – einzig das von Eduard Veith in den 1890er Jahren gestaltete Mosaik blieb erhalten und ziert noch heute die Fassade des Neubaus auf der Kärntner Straße (ehemalige Rückseite des Meissl & Schadn).
Rindfleischparadies wurde das Restaurant deshalb genannt, weil man hier aus 24 Sorten gesottenem Rindfleisch wählen konnte: Tafelspitz, Tafelstück, Schulterscherzel, Bustkern, Kruspelspitz, Kavalierspitz, Beinfleisch, Magers oder Fettes Meisl, Fledermaus und Zunge zum Beispiel. Ein jeder fand hier sein persönliches »Gustostückerl« und konnte dazu aus zehn verschiedenen Beilagen wählen.
Es muss ein schönes Gefühl gewesen sein, im Meissl & Schadn zu speisen, und sogar der Berufsnörgler Karl Kraus schrieb » Zu Meißl & Schadn, wo würdig alternde Kellner vor dem Krieg das saftigste (in Rindsbrühe gekochte) Ochsenbeinfleisch […] auftrugen« – so steht es in der »Fackel«, einem von Karl Kraus herausgegebenen Satire-Magazin. Schade eigentlich, dass dieser fleischliche Genuss, die Inkarnation des gesottenen Rindfleisches schlechthin, nicht mehr auf Erden weilt, sondern wirklich ein paradiesischer ist.
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