Resselpark
Im April 1945 wurde Wien zur »Festung« erklärt und in den letzten Kriegstagen vor allem der Prater sowie die darum befindliche Leopoldstadt arg in Mitleidenschaft gezogen, was heißt: Alle Stätten des Vergnügens wurden zerstört. Das zwei Jahre zuvor von Josef Weinheber veröffentliche Gedicht »Zuerst das eine: Granaten und Minen/ Aber dann wie zuvor: Kaffee und Pralinen« wurde angesichts der Lebensmittelknappheit und des Versorgungschaos zur Farce. Es gab schlicht und einfach nichts, und auch die Plünderung der Anker-Brotfabrik, bei der 2.000 Tonnen Mehl weggeschleppt wurden, brachte nur einige Monate Linderung.
Aufgrund der Knappheit an Lebensmitteln und Konsumgütern (vor allem Zigaretten) entwickelte sich im und um den Resselpark ein reger Schleichhandel, an dem vor allem Soldaten der Alliierten Besatzungsmächte beteiligt waren. Besonders aktive Händler sollen dem Vernehmen nach die Russen gewesen sein. Gehandelt und getauscht wurde praktisch alles, und bezahlt wurde mit dem, was man zur Verfügung hatte – nicht selten mit dem eigenen Körper. Zigaretten wurden quasi zur Ersatzwährung, denn eine einzige Tschick kostete sieben Schilling, während ein Arbeiter einen Wochenlohn von etwa 30 Schilling bezog.
Not macht erfinderisch, heißt es, und so entstand ein lebhafter Handel mit kuriosem Fleischersatz. Biber, Fischotter und Frösche waren früher schon als »Fastenspeise« bekannt, nach 1945 wurde der Speiseplan auch um Katzen erweitert – sie wurden geschlachtet, gehäutet und als »Kaninchen« verkauft. Die Polizei konnte den Schleichhandel nicht zum Erliegen bringen, da die Marktgesetze von der Not diktiert wurden – und von Elend, denn die Hauptprotagonisten unter den Händlern waren Kriegsversehrte und Veteranen, und diese genossen auf beiden Seiten einen Sonderstatus – die Exekutivorgane drückten daher einfach beide Augen zu … und kassierten mit.
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