Die Stiere vom ehemaligen Marxer Schalchthof
Es ist bekannt, dass in Wien seit eh und je bei jeder Mahlzeit mehr Fleisch verzehrt wird als anderswo – in Spitzenjahren waren es mehr als 100 Kilogramm pro Kopf! Noch im 19. Jahrhundert aß man in bürgerlichen Kreisen zweimal täglich Fleisch, in den Oberschichten sogar mehrere Fleischgänge pro Mahlzeit. Das Backhendel war das Symbol für Wohlstand, gekochtes Rindfleisch das der kleinbürgerlichen Lebensart und wurde bis zu fünfmal die Woche aufgetischt.
Es ist kein Wunder, dass zwei mächtige ungarischen Ochsen das Tor des ehemaligen Marxer Schlachthofs zieren, denn Hauptlieferant für die Fleischversorgung war das Rind. Es war vor der Verbreitung der Erdäpfel leichter zu füttern als das Schwein und konnte aufgrund seiner längeren Beine auch von weiter her in die Stadt getrieben werden. Schon im 19. Jahrhundert unterschied man verschiedene Qualitäten, darunter ungarische, galizische oder deutsche Mast-, Weide- und Bauernochsen. Die Tiere stammten zum Großteil aus der ungarischen Pusta, aber auch aus der Bukowina. Die Rinderhandelsfirma Sborszky & Co war beauftragt, das Fleisch für den kaiserlichen Hof zu besorgen, und kaufte ungarisches Rindvieh gleich »herdenweise«.
Die Fleischversorgung Wiens wurde im 19. Jahrhundert auf dem Viehmarkt von St. Marx zentralisiert. An starken Markttagen waren bis zu 4.500 Stück Vieh zum Verkauf aufgestellt, zu denen sich rund 150 Händler, 300 Treiber und 500 Fleischer gesellten. Am 21. Februar 1873 erließ die Gemeinde Wien einen Beschluss, der bereits 22 Gütevarietäten bei Rindfleisch klassifizierte – später wurden daraus die berühmten 24 Wiener Rindfleischteile zum Sieden! Hinzu kamen Sonderteile wie Rindskamm und Zunge, die ebenfalls gekocht wurden. Leider wird man heute kaum einen Fleischer finden, der nur annähernd so viele Varianten anbietet – aber es gibt ja auch den Marxer Schlachthof nicht mehr …
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